Die Botschaft von einem anderen Stern

■ Bei den bundesdeutschen Gastgebern mangelte es an Verständnis für Lech Walesa

Vier Tage hetzte Lech Walensa von Termin zu Termin. Vier Tage der Versuch, die polnische Situation zu erläutern, und das Bemühen, die satte, vorwiegend mit sich selbst beschäftigte bundesdeutsche Gesellschaft zu interessieren. Mißt man das Bemühen an der medialen Resonanz, dann war der witzige Mann aus Danzig überaus erfolgreich. Über die Spuren, die dieser Besuch hinterlassen hat, ist damit aber noch nichts gesagt.

Walesa kam von einem anderen Stern. Nirgendwo wurde das deutlicher als auf der Belegschaftsversammlung von Krupp. Die Dimension der politischen Umwälzung in Polen, die Dramatik des dortigen wirtschaftlichen Verfalls und die damit verbundenen Gefahren und Chancen für die Entwicklung in Ost und West wurden in dieser Versammlung nicht eimal im Ansatz deutlich. Walesas Botschaft, mit Phantasie das eine Europa zu bauen, die ökonomischen Entwicklung in Polen mutig und unkonventionell zu unterstützen, stand der Bericht über die Renovierung von Waschkauen, die Einrichtung von zusätzlichen Kaffeeräumen und der Streit um besondere Zulagen bei Krupp gegenüber. Solche Sorgen hätten die polnischen Kollegen nur allzugern. In ihrem Land bekommt man für 50 Mark 220.000 Sloty. Das ist zweieinhalb mal soviel, wie ein Lehrer im Monat verdient. Wäre es angesichts dieser Zahlen nicht für die westdeutsche Arbeiterbewegung an der Zeit, initiativ zu werden, das Versagen der Politik und der Krämerseelen von der Kapitalfront zum Thema zu machen? Müßte nicht jetzt auf breitester Front für jene Partei ergriffen und praktische Hilfe organisiert werden, die in Polen einen Umbruch versuchen, der in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel ist?

Dazu dürfte es wohl kaum kommen. Für die Polen, für die Gewerkschaft Solidarnosc wird es nach dem Besuch sicher noch häufiger wohlmeinende Worte geben - aber keine angemessene Reaktion. Die Linke in der BRD macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil, ihr ist der gläubige Katholik Walesa, der die Kapitalisten zu Investitionen nach Polen einlädt und ihnen gute Geschäfte verspricht, ohnehin suspekt. Also herrscht links Funkstille. Man legt die Hände in den Schoß und läßt die Polen allein - auch die vielen Sozialisten in der Solidarnosc.

Walter Jakobs