Oslo vor dem Rechtsruck?

Vor den norwegischen Parlamentswahlen am kommenden Montag zeichnen sich erhebliche Gewinne der rechten „Fortschrittspartei“ ab  ■  Aus Oslo Gunnar Köhne

Olav Brundtland ist aktives Mitglied der Konservativen Partei Norwegens, seine Frau Gro ist Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und amtierende Ministerpräsidentin. Olav Brundtland hat noch nie die Partei seiner Frau gewählt. Diesmal jedoch, bei den Parlamentswahlen am kommenden Montag, kann er es sich erstmals vorstellen, seine Stimme den Roten zu geben.

Der Grund für die Unruhe im Land ist die rechtspopulistische „Fortschrittspartei“, bisher eine Splitterpartei, die sich nun anschickt, ihren Stimmenanteil von 3,7 auf 20 Prozent zu erhöhen, womit sie eine regierungsfähige Mehrheit im nächsten Parlament unmöglich machen würde. Die „Fortschrittspartei“ (FRP), deren Programm im wesentlichen aus Steuersenkungen, Privatisierungen und Ausländer-Stopp-Parolen besteht, wächst nach Umfragen offenbar besonders auf Kosten der beiden großen Parteien. Der als Minderheitsregierung amtierenden Arbeiterpartei (AP) wird ein Sturz von 40 auf 33 Prozent vorhergesagt, den Konservativen (Höyre) gar ein Verlust von 10 Prozent (1985: 30,4). Eine große bürgerliche Koalition mit der FRP lehnen die Parteien der Mitte (christliches Zentrum, Bauernpartei, Liberale) ab.

Das Erstarken der Rechten hat Norwegen den härtesten Wahlkampf der Nachkriegszeit beschert. Die Gemüter schlagen hoch, weil die FRP und ihr Chef Carl I. Hagen - ein alternder Playboy, der Reagans schmierigen TV-Charme perfekt beherrscht - nur Symptom dafür sind, daß in Norwegen die Zeiten des breiten politischen Konsenses unter Führung der Linken zuende gehen. „20 Prozent für Hagen sind 20 Prozent gegen den Wohlfahrtsstaat“, beschreibt Ruth Hemstad, Journalistin beim Osloer 'Dagbladet‘ das Problem, „und damit wird unsere politische Nachkriegskultur angegriffen.“ Hagen will außer Polizei und Armee so ziemlich alles Staatliche privatisieren, Krankenhäuser, Kindergärten, Rentenversicherungen, selbst die Gefängnisse.

Daß sich die politischen Grundhaltungen so stark geändert haben, schieben viele NorwegerInnen auf das Ende der fetten Öljahre und die zunehmenden Klassengegensätze. Mit 4,2 Prozent hat die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr eine Rekordmarke erreicht, der Anteil jugendlicher Erwerbsloser ist besonders hoch. Viele sozialdemokratische Stammwähler sind von Brundtlands Wirtschaftspolitik enttäuscht, vor allem die halbherzigen Maßnahmen gegen die langsame Entvölkerung des traditionell sozialdemokratischen Nordens haben Carl I. Hagen AnhängerInnen gebracht. Wegen des Niedergangs der Fischerei liegt die Arbeitslosenquote dort in manchen Gebieten bei 40 Prozent.

Linkssozialisten und die erstmals antretenden Grünen beschuldigen die Vorsitzende der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung Brundtland, im eigenen Land den Umweltschutz nur halbherzig zu fördern. Untersuchungen haben beispielsweise gezeigt, daß trotz Gegenmaßnahmen wie eingeschränkte Parkmöglichkeiten die Abgaswerte in Oslos Innenstadt kurz vor der Grenze der Gesundheitsgefährdung stehen. Geschadet hat der AP im Wahlkampf auch ein interner Skandal: Der frühere Parteivorsitzende Reiulf Steen mußte zugeben, einen befreundeten Möbelhändler jahrelang mit vertraulichen Parteiinformationen versorgt zu haben, bevor der den Vorsitz an Brundtland abgeben mußte.