CDU-Parteitag: Kohl im sicheren Hafen

Die Wahl der sieben stellvertretenden Parteivorsitzenden verspricht einen der wenigen Spannungsmomente / Der designierte Generalsekretär Rühe bemüht sich fleißig um Profil / Geißlers letztes Werk: Der Leitantrag zur Ausländer- und Asylpolitik  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

Knapp fünf Stunden von vier Tagen werden im Mittelpunkt des CDU-Parteitages in Bremen stehen: Rechenschaftsbericht des scheidenden Generalsekretärs Heiner Geißler, Wiederwahl des Parteivorsitzenden Helmut Kohl, Wahl des neuen Generalsekretärs Volker Rühe, Wahl der sieben stellvertretenden Parteivorsitzenden. Dies steht auf dem Programm für den Nachmittag des kommenden Montag. Und dies kündigt Auseinandersetzungen an - scheinbare jedenfalls, vermutlich die einzigen auf dem Parteitag überhaupt.

Der Rausschmiß von Heiner Geißler durch Kohl, der Protest in Teilen der Partei gegen diese Entscheidung, das kurze Aufbäumen der sogenannten Reformer um Geißler und ihre Niederlage gegen den Vorsitzenden - die Ereignisse der letzten Wochen werden sich in diesem Montag nachmittag noch einmal widerspiegeln. Die „Modernisierer“ Rita Süssmuth, Norbert Blüm, Lothar Späth, Ernst Albrecht und Heiner Geißler selbst werden ihren Ruf als kritische Geister der Partei zu wahren versuchen. Seit dem Rausschmiß Geißlers ist der nämlich arg ramponiert: Statt die vollmundige Ankündigung ihres Widerstands wahr zu machen, gaben sie sich mit vagen Zusagen Kohls für die künftige Präsidiumsarbeit zufrieden: Mehr Mitspracherechte bei wichtigen Personal- und Sachentscheidungen versprach er. Seine sieben Stellvertreter sollen künftig für bestimmte, noch festzulegende Aufgaben zuständig sein. Mit einem Aufstand während des Parteitages muß Kohl also nicht mehr rechnen. Daß er mit weniger Stimmen als sonst zum Parteivorsitzenden gewählt wird, daß der Unmut gegen ihn auch in der Partei eher wächst, scheint er dennoch zu befürchten - und hat wohl darum in der letzten Zeit Kreide gefressen: „Daß ich allein gar nichts zu bewirken vermag, das habe ich in den letzten Jahren vielleicht besser verstehen gelernt“, soll er etwa letzte Woche vor CDU -Kommunalpolitikern in Köln bekundet haben.

Auch die Wahl der sieben stellvertretenden Parteivorsitzenden wird ein Akt im erlahmten Schaukampf Kohl gegen seine Widersacher sein. Ein Posten wird frei - der von Hanna-Renate Laurien. Drei Kandidaten bewerben sich darum: Eberhard Diepgen aus Berlin, Christa Thoben, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU in Nordrhein -Westfalen und - Heiner Geißler. Wird letzterer (auch) gewählt, womöglich noch von sehr vielen Delegierten, könnte er seinen Einfluß auf die Linie der Union behalten. Dies scheint auch Geißlers Nachfolger Volker Rühe zu befürchten. Jedenfalls wies der bisher eher blasse Politiker in den letzten Wochen Geißler öffentlich zurecht. Er gebärdete sich als künftiger Generalsekretär mit starkem Profil und als ein Geißler ebenbürtiger Demagoge. Seine hemmungslosen Ausfälle gegen Sozialdemokraten und Grüne während der Haushaltsdebatte machten deutlich: Da wollte einer sagen: Hier bin ich, an mir kommt keiner mehr vorbei, ich werde die Partei schon managen.

„Ca. 22.00 Uhr: Bremer Abend“ steht als letzter Punkt auf dem Programm für Montag. Und dies wird wohl der Auftakt für die zweite, die friedlichere Runde des Bremer Parteitages werden. Drei Leitanträge - zu den Themen Umwelt- und Ausländerpolitik und Parteireform - sollen beraten und beschlossen werden. Heftige Diskussionen lassen sie kaum erwarten. „Unsere Verantwortung für die Schöpfung“, hat Umweltminister Töpfer seine Leitlinien für die künftige Umweltpolitik der Bundesregierung genannt. Eine „ökologisch geleitete Umgestaltung des Steuersystems“ will die Union damit angeblich erreichen. „Marktwirtschaftliche Instrumente“ sollen die „Säulen“ der Umweltpolitik werden.

Schon jetzt abgesegnet scheint der von Innenminister Schäuble und Heiner Geißler ausgearbeitete Parteiantrag zu Ausländer- und Asylpolitik. Selbst die bisher heftigsten parteiinternen Kritiker der Ausländerpolitik der Bundesregierung - die CDU-Sozialausschüsse - lobten die Leitlinien fast ohne Einschränkung. Der Entwurf stimmt nahezu vollständig mit einem Papier überein, das die Innenpolitiker der Koalitionsfraktionen von CDU, CSU und FDP im April vorgestellt hatten und das noch im Herbst als Gesetzesentwurf vorliegen soll. Die Abstimmung über die Leitlinien auf dem Parteitag wird damit zum Testlauf für das Gesetzesvorhaben. Sein Ausgangspunkt ist die Aussage, die Bundesrepublik sei kein Einwanderungsland. Festgeschrieben wird der Zuzugsstopp. Der Nachzug von Familienangehörigen und die Möglichkeiten für junge Ausländer, hierher zurückzukehren und/oder sich einzubürgern, werden einerseits zwar erleichtert, andererseits jedoch an zahlreiche Bedingungen geknüpft. Das Kapitel Asyl bestimmt vor allem ein Schlagwort: Beschleunigung der Asylverfahren.

„Moderne Parteiarbeit in den 90er Jahren“ - dieser Leitantrag schließlich zeichnet ein Gegenbild zur Union, wie sie sich heute darstellt und besonders auch auf diesem Parteitag darstellen wird: Organisation und Strukturen sollen - so der Antrag - reformiert, mehr lebendige Mitarbeit vor Ort soll gefördert werden. Wesentlich attraktiver gestalten will man die CDU für junge Menschen und Frauen, die in der überalterten, von Männern auch zahlenmäßig dominierten Partei nur ganz spärlich vertreten sind.

Warum eine Reform nötig sei, hatte einer, der es wissen muß, auf dem letzten Parteitag erläutert: Gegen die „Verbonzung“ und „Verkrustung“ der verbürokratisierten Partei, die weite Schichten der Bevölkerung nicht erreiche ... mit besten Grüßen, Helmut Kohl.