DDR-Offizielle in Ungarn in Bedrängnis

Botschaftssekretäre der DDR im Flüchtlingslager / Keine Antwort auf Fragen der Journalisten und Ausreißer  ■  Aus Budapest Heide Platen

Gestern Mittag stellte sich der 1. Sekretär der DDR -Botschaft in Budapest, Dieter Grahmann, dem Volke. Zusammen mit dem 3. Sekretär Dietmar Deinbrück bezog er stundenweise den kleinen Wohnwagen gegenüber dem Lager Szugliget. In Minutenschnelle waren die beiden von DDDlern und Presse umringt. Es hagelte unangenehme Fragen. Der Vorwurf der Republikflüchtigen: Der Staat ist für seine Bevölkerung nicht erreichbar, die Planwirtschaft funktioniert nur auf dem Papier, z.B. bei den Ernten. Grahmann: „Sie müssen den Unterschied sehen zwischen dem, was wächst und dem was an Planzahlen da ist“.

Der Diplomat wirkte nach wenigen Minuten resigniert. Warum die DDR ihre Beratungsstelle für Rückkehrwillige erst so spät bezogen habe? Wohnwagenmangel? „Nein. Technische Schwierigkeiten“. „Gibt es Reisebeschränkungen für DDRler nach Ungarn?“ Das wies Grahmann weit von sich. Er bekräftigte noch einmal, daß Rückweisewillige keine Repressalien zu befürchten hätten.

Das mißverständliche Angebot anwaltschaftlicher Beratung, das die DDR auf einem Flugblatt gemacht hatte, beziehe sich lediglich auf Hilfe beim Stellen von Ausreiseanträgen. „Wieviele DDRler sich bisher bei ihm gemeldet haben?“ Keine Zahl. Mehr als Zehn? Weniger? Grahmann lacht: „Natürlich mehr!“ Daß die bisher keiner beim Besuch des Wohnwagens gesehen hat schiebt Grahmenn auf die mangelnde Beobachtungsgabe der Journalisten. „Sind Leute vom Staatssicherheitsdienst in und um die Lager im Einsatz?“ Grahmann: „Wir sehen keinen Grund, die Souveränität Ungarns zu verletzen.“ Bleiben will er, solange sich noch Republikflüchtige in Ungarn aufhalten. Am Ende wirkt Dieter Grahmann gelockert. Auf die Frage eines TV-Teams nach einem Kamera-Schwenk im Wohnwagen antwortet er lachend und sich weg drehend: „Schwenken Sie nur!“

Übergeschwenkt sind in der vergangenen Nacht nach Agenturberichten rund 100 DDR-Bürger und Bürgerinnen von Ungarn nach Österreich. In den vergangenen Tagen waren jeweils nur etwa ein Dutzend Flüchtlinge über die Grüne Grenze in den Westen gekommen.