Absentisten und Angsthasen

■ Blau-Weiß spielte gegen Wattenscheid im Olympiastadion 1:1/Saisonrekord mit 8.916 zahlenden Zuschauern/Schneller Ausgleich nach Wattenscheid-Führung, dann aber: "Angsthasenfußball" in der zweiten Hälfte

Blau-Weiß 90 war sauer. Just an dem Tag, an dem der Tabellenführer der 2.Liga, Wattenscheid 09, zu Besuch ins Olympiastadion kam, fand am Neuköllner Hertzbergplatz das traditionelle Benefizspiel zweier Prominentenelfs statt. Dort lockten illustre Namen wie Uwe Seeler und Wolfgang Overath, da konnten die Herren Schmidt, Adler, Bach, Emmerling, und wie sie alle hießen, natürlich nicht mithalten. Die Blau-Weißen, ohnehin schwer gebeutelt von Publikumsmißgunst, mußten sich mit 8.916 Zuschauern begnügen, immerhin Saisonrekord bei einem bisherigen Schnitt von 4.370.

Wer gekommen war, sah ein munteres Zweitligaspiel. Die Wattenscheider begannen, als wollten sie sogleich den Klassenunterschied zwischen einem ersten und einem vierten der Tabelle deutlich machen, schnappten sich den Ball und gaben ihn eine ganze Weile nicht mehr her. Die Berliner dagegen waren nervös, begingen viele Abspielfehler und mußten in der 20.Minute das 0:1 hinnehmen, das Banach nach Getümmel im Blau-Weiß-Strafraum erzielte.

Dieses Tor wirkte auf die Gastgeber wie eine doppelte Portion „Hallo wach“, und bereits eine Minute später nutzte Schlumberger den Wattenscheider Freudentaumel, um nahezu unbeachtet von jedwedem Gegner den Ausgleich zu erzielen. „Meine Spieler waren mental nicht auf dem Platz“, schimpfte Gästetrainer Bongartz später, „vier, fünf waren ganz woanders, wahrscheinlich auf dem Kurfüstendamm beim Bummel.“

Seine säumigen Schützlinge konnten froh sein, bis zur Pause nicht zurückzuliegen, denn Blau-Weiß kam immer besser ins Spiel. Endgültig fällig war die Berliner Führung eigentlich in der 56.Minute, als Adler zwei Meter vor der Torlinie nur noch Torwart Eilenberger vor sich hatte, just diesen aber anschoß. Wattenscheids Banach machte es Minuten später aus ähnlicher Position noch schlechter; er traf kaum den Ball. Nach diesen wechselseitigen Fehlleistungen machte sich langsam allenthalben Zufriedenheit mit dem Unentschieden breit. Niemand riskierte mehr etwas, sehr zum Leidwesen von Wattenscheid-Stürmer Tschiskale, der meinte, sein Team hätte „den Sack zumachen müssen“, und von Blau-Weiß-Trainer Schumm, der seinen Mannen „Angsthasenfußball“ vorwarf.

Das Resultat fand er dann aber dennoch gerecht, und dem Punktverlust trauerte er nicht lange nach: „In Wattenscheid spielen wir dann auch 1:1, dann paßt es wieder“.

Matti Lieske

BLAU-WEISS: Gehrke - Levy - Haller (76. Gartmann), Schmidt - Holzer, Schlegel (78. Motzke), Kutschera, Schlumberger, Brefort - Adler, Dinauer

WATTENSCHEID: Eilenberger - Neuhaus - Siewert, Bach Emmerling, Kügler, Dirk Kontny, Fink, Sobiech - Tschiskale, Banach (86. Ueding)