Momper störte die Heimatidylle

■ Vertriebene pfiffen Walter Momper aus / Berlins Regierungschef wandte sich auf dem „Tag der Heimat“ gegen „Grenzdiskussionen“ / Kritik an Vertriebenenfunktionär Czaja / Folge: Tumult, Pfiffe, Protestrufe / CDU-Vorsitzender Diepgen erntete kräftigen Beifall

Tumultartige Szenen, Buhrufe und Pfiffe erntete gestern der Regierende Bürgermeister Momper, als er auf dem „Tag der Heimat“ die Vertriebenenverbände ermahnte, „nicht mehr an den Grenzen zu rühren“. Mit ihrer zentralen Veranstaltung in Berlin wollten die Vertriebenen eigentlich ihren Anspruch auf das „ganze Deutschland“ in den Grenzen von Anno dunnemals bekräftigen; doch ausgerechnet das Oberhaupt der ehemaligen Reichshauptstadt erteilte den Ostlandrittern gestern eine scharfe Abfuhr. Immer neue Grenzdiskussionen, so Momper vor etwa 2.000 Vertriebenen, erzeugten „Verunsicherungen bei unseren Nachbarn“ im Osten und Westen.

Der SPD-Politiker, der sich in den letzten Wochen wiederholt gegen eine „Wiedervereinigungsrhetorik“ gewandt hatte, wollte gestern erst recht nichts von einem Deutschland „in den Grenzen von 1937“ wissen. Einmal in der Höhle des Löwen, griff Momper auch den Vertriebenenfunktionär und CDU-Politiker Czaja an. Dessen Äußerungen, Polen „hätte Gebietsansprüche an uns“, seien „unerträglich“ und „in höchstem Maße schädlich“ (siehe Dokumentation Seite18).

Folge der deutlichen Worte: Momper konnte sich oft nur mühsam gegen lautstarke Pfiffe und Protestrufe („Verrat an Deutschland“) durchsetzen. Unter dem Motto „40 Jahre Bundesrepublik Deutschland - das ganze Deutschland ist unser Vaterland“ begingen die verschiedenen „Landsmannschaften“ gestern bundesweit auf 200 Veranstaltungen ihren 40.„Tag der Heimat“.

Anders als Momper konnte sein Amtsvorgänger, der Berliner CDU-Chef Diepgen, auf der Berliner Großveranstaltung kräftigen Beifall einheimsen. Er setzte sich unter anderem für ein „Europa ohne Grenzen“ ein. Balsam für die Vertriebenenseele spendete auch Bundeskanzler Kohl, der ein Grußwort verlesen ließ. Kohl dankte den Teilnehmern der Veranstaltung, daß sie sich zum „Verzicht auf Rache und Vergeltung für das erlittene Unrecht“ entschlossen und damit den Weg zu „Verständigung und Aussöhnung“ geebnet hätten. Praktische Tips nach dem Motto „Wiedervereinigung für jedermann“ gab Ex-Bundespräsident Karl Carstens (CDU): Er appellierte an seine Zuhörer, die „Einheit der Nation“ auch in Zukunft zu bewahren und „so oft wie möglich in die DDR und die deutschen Ostgebiete“ zu fahren. Auf die Schilderung detaillierter Wanderrouten durch Westpolen verzichtete der Kniebundpolitiker, der bislang lediglich seine Märsche durch die BRD publik gemacht hatte. Die Vertriebenen zeichneten Carstens dafür gestern auch nicht mit einem Wanderabzeichen aus, sondern verliehen ihm die „Plakette für Verdienste um den deutschen Osten und das Selbstbestimmungsrecht“.

ap/dpa/taz