Wichtel-betr.: "Deutscher Gartenzwerg kam aus Anatolien", taz vom 31.8.89

betr.: „Deutscher Gartenzwerg kam aus Anatolien“,

taz vom 31.8.89

Einzigartig, Petra Bornhöfts brandaktuelle Indlandsrecherche über die Phallokratie des deutschen Gartenzwerges. Ihr ahnt gar nicht, wie grundlegend dieser Artikel meine Wertvorstellungen verändert hat, ja, er hat mir regelrecht neue Wege in meine Ahnengallerie geebnet: Bisher empfand ich beim Anblick putziger deutscher Kleinode in Vorgärten oder auf Dingens, äh, Fensterbänken stets tiefsten Abscheu und sah sogleich mein Hauptfeindbild vor mir: den deutschen Sankt Michael (bei Eingeweihten auch „himmlischer Held“ genannt) bzw. die mutterkreuzdekor- und graumelierte Knotentante, die das unschuldige Wichtel ebendort hingestellt hatten.

Nur ein winziges Zwerglein vermochte mir bisher ein müdes Lächeln abzugewinnen: Das Rumpelstilzchen auf der Dingensbank da mit dem erderfüllten Bauchladen vor sich, welchselbigem ein dicker, fester, stacheliger Kaktus entsproß, welch letzterer hinwiederum seinem gewichtigen wenngleich kleinwüchsigen - Träger im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf gewachsen war. Aber, wie gesagt, mehr als ein müdes Lächeln und dann doch wieder Abscheu war nicht drin, auch nicht beim Anblick dieses soeben beschriebenen Kunstwerkes.

Aber jetzt... jetzt ist alles anders... jetzt darbe ich regelrecht Lustwanderungen durch die großen, weiten Welten gepflegter Schrebergartenkolonien entgegen. Und jedes Lust -ig-freche rote Zipfelmützchen, das sich - vorwitzig über ein deutsches Kleinod gestülpt - keck dem Himmel entgegenreckt, wird mich vor Lachen nur so bersten lassen. (...)

Gerlinde, Wuppertal