„Frau Unruh steuert das Ganze von rückwärts“

Die Grauen Panther gründen in Köln einen Landesverband für Nordrhein-Westfalen / In der heftigen Personaldebatte um den Landesvorstand glänzt Grauen-Gründerin Trude Unruh mit populistischen Ausfällen und diktatorischem Führungsstil  ■  Aus Köln Bettina Markmeyer

„Und jetzt die Christa!“ Siegessicher beugt sich die Grauen -Vorsitzende Trude Unruh zu Klaus Herre, dem Schatzmeister der Altenpartei, der rechts neben ihr sitzt. Und noch ehe Wahlleiter Miller mit seinen Erklärungen für die Wahl „des oder der“ dritten Vorsitzenden der nordrheinwestfälischen Grauen zu Ende ist, trompetet Unruh in den Saal: „Ich schlage Christa Aulenbacher vor!“ Die 48jährige hat vor zwei Monaten in München die Grauen mitgegründet und arbeitet in der Wuppertaler Zentrale der Grauen Panther seit 1978 eng mit Trude Unruh zusammen.

Doch Christa wird's nicht. Statt der Unruh-Wunschkandidatin wählen die Parteimitglieder im Kölner Sartory-Saal die völlig unbekannte, erst vor zweieinhalb Stunden in die Partei eingetretene Düsseldorferin Gabriele Mengen. Eine Protestwahl.

Offenbar ist der großmäuligen „Trude“, wie sie von den meisten bloß genannt wird, entgangen, daß sich auf der Gründungsversammlung der Grauen in Nordrheinwestfalen schnell Unmut breit gemacht hat. Im Kommandoton treibt sie von ihrem Platz links vor der Bühne die Vorstandswahlen voran. Was der höfliche, anfangs jedoch schwer überforderte Wahlleiter Miller schließlich mit einem charmanten: „Frau Unruh steuert das Ganze wie immer von rückwärts“, kommentiert, bevor er „die Herrschaften“ zum dritten Wahlgang bittet. „Die ist doch gar nicht Mitglied!“, blafft Unruh jetzt in Richtungder 36jährigen Gabriele Mengen, die als Ärztin für Naturheilkunde arbeitet.

Die unbekannte Kandidatin, die ihre „Berufserfahrungen mit der Situation von älteren Menschen“ in die Politik einbringen will, paßt ihr nicht in den Kram. „Wir dürfen hier nicht auf Cliquenwirtschaft hereinfallen, wo wir doch gegen Cliquenwirtschaft sind“, empört sich darauf ein Grauer am Saalmikrophon. „Ich will von allen Kandidaten wissen, warum sie sich hier zur Wahl stellen“, fordert ein anderer: „Das ist doch wichtig für uns, wir kennen die Leute nicht alle.“ Und ein dritter wird noch deutlicher: „Sind wir hier, um mitzuspielen, oder sind wir hier Wähler?“ In der Tat, was vielen nordrhein-westfälischen Grauen auf ihrer Gründungsversammmlung nicht paßt, ist, daß über Politik erst gar nicht geredet wird. Denn die Zeit drängt. Unbedingt wollen die Grauen, so die Haltung der Parteispitze, schon zu den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im kommnden Mai antreten. „Und dafür müssen wir nicht nur heute den Landesvorstand wählen, sondern auch spätestens bis zum März über 50 Kreisverbände gegründet haben und Kandidaten in möglichst vielen der 151 Wahlkreise aufstellen“, sagt Günter Nierstenhöfer, frischgebackener Stellvertreter von Lisette Milde, die zu Beginn der Versammlung mit großer Mehrheit zur Vorsitzenden der NRW-Grauen gewählt worden ist.

Die Unruh-Vertraute aus Bergisch-Gladbach arbeitet im Bundestagsbüro Alten-Rebellin, ist seit 1985 stellvertretende Bundesvorsitzende der Grauen Panther und vollzog an der Seite von Unruh den Bruch mit den Grünen.

Etwa 350 Mitglieder haben die Grauen bisher in NRW, bundesweit 1.300. Auch Nierstenhöfer meint, daß die Organisation der Grauen bis zur Landtagswahl steht. Der 48jährige Bochumer, der dort fünf Jahre für die Grünen im Rat arbeitete, ist erst im August wegen seiner Mitgliedschaft bei den Grauen von der grünen Liste geflogen. Jetzt will er mit den Grauen „ins Protestwählerpotential rein“ und sich auch gleich noch als REP-Verhinderer profilieren: „Wir haben viele Anrufe von älteren Leuten, für die die Grünen nie in Frage kämen und die aus Protest bei der Europawahl REPs gewählt haben. Die sehen jetzt in den Grauen eine Alternative.“

Trude Unruh besteigt erst spät das Rednerpult. Während ihrer unkonzentrierten Rede zwischen populistischen Ausfällen gegen „das schmierige Geschäft der Politik“ und den Forderungen der Grauen zur Gesundheits- und Rentenpolitik erhält sie den meisten Beifall immer dann, wenn sie „Sauberkeit“ für die eigene politische Arbeit fordert: „Wir Grauen Panther haben seit 15 Jahren versucht, uns persönlich nicht wichtig zu nehmen. Wer keine Graue -Panther-Arbeit im Vorfeld geleistet hat, weiß gar nicht, was das bedeutet“, ruft sie aus und nutzt die ihr wieder gewogene Stimmung gleich aus, um die vor wenigen Stunden gewählte dritte Vorsitzende als „Trittbrettfahrerin“ zu beschimpfen. Mit Protest muß sie nicht rechnen, ist es doch der autoritäre Führungsstil, mit dem die Alten-Rebellin ihre AnhängerInnen hinter sich bringt.

Unterdessen hat sich der Saal weitgehend geleert. Als am späten Abend auch das letzte Mitglied des 15köpfigen Vorstandes gewählt ist, sind nur noch wenige Graue unter sich. Ob man nun mit dem frisch gegründeten Landesverband zur Landtagswahl im kommenden Mai antritt, wird nicht mehr diskutiert. Dafür, so Grauen-Generalsekretär Bernd Michalk, werde man nun einen Sonderparteitag ansetzen müssen.