Schacht Konrad-betr.: "'Direkte Endlagerung', ante portas", taz vom 30.8.89

betr.: “'Direkte Endlagerung‘, ante portas“, taz vom 30.8.89

(...) Nicht von ungefähr hat die niedersächsische Landesregierung kurz nach dem Bekanntwerden der Verlagerung der Wiederaufarbeitung bundesdeutscher Brennelemente von Wackersdorf nach La Hague und Sellafield die bereits angekündigte Auslegungsfrist im Genehmigungsverfahren für Schacht Konrad vorerst noch einmal verschoben, obwohl die Atomindustrie seit langem darauf drängt, Schacht Konrad endlich als Atommüllager benutzen zu können.

Ein wichtiger Punkt für die Genehmigung von Schacht Konrad als Endlager ist das Einlagerungskonzept, das die PTB für die Unterbringung der Atomabfälle in den neu aufgefahrenen Strecken des ehemaligen Erzbergwerks entwickelt hat. Die verschiedenen Abfallarten fallen in den Atomanlagen in verschiedener Zusammensetzung und mit unterschiedlichstem radioaktivem Inventar an. Die PTB ging bisher davon aus, daß sie gemeinsam mit den Herstellern des Atommülls, also den Anlagenbetreibern, beraten und festlegen würde, welche Abfallarten in welche Endlagergebinde eingebracht werden könnten, um die Anordnung der Gebinde im Endlagerbergwerk festlegen zu können. Sie hat gerade diese Vorgehensweise angepriesen als eine der wichtigen Garantien für die Sicherheit der Endlagerung in Schacht Konrad.

Nach der Planung der PTB wird ein Drittel des Gesamtvolumens der Abfälle aus schwach- und mittelradioaktivem Müll aus Wideraufarbeitung bestehen. Es sind gerade diese Müllarten, die einen hohen Anteil an langlebigen radioaktiven Stoffen enthalten, die also im Zusammenhang mit der notwendigen Langzeitsicherheit des Endlagers das größte Problem bilden.

Zwar sollte auch nach der bisherigen Praxis mit der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen - die mangels der Fertigstellung von Wackersdorf in La Hague und Sellafield wieder aufgearbeitet werden sollten - der radioaktive Abfall aus Frankreich und Großbritannien vertragsgemäß wieder in die Bundesrepublik zurückgenommen werden. Diese Menge machte aber nur etwa sechs bis acht Prozent der Gesamtmenge aus, die in Schacht Konrad eingelagert werden soll. Allerdings konnte schon hier das PTB-Einlagerungskonzept nicht greifen, da unmittelbare Zusammenarbeit mit der PTB weder von der Cogema in La Hague noch von BNFL in Sellafield gewünscht wird. In Anbetracht der relativ geringen Mengen dieses Mülls glaubte die PTB, diesen Fehler als gering achten zu können.

Nun hat sich die Lage grundlegend verändert. Der gesamte Abfall aus der Wiederaufarbeitung ist nun der Planung und Kontrolle der PTB entzogen. Offensichtlich sind sich Bundesumweltministerium und niedersächsisches Umweltministerium bewußt, daß dies bei der anstehenden öffentlichen Auseinandersetzung in der Auslegungsfrist und im darauffolgenden Erörterungstermin für sie ein unangenehm heikler Punkt werden wird. Die durch den Aufschub der Auslegungsfrist gewonnene Zeit wollen bundes- und Landesregierung deshalb nutzen, um die Wiederaufarbeitung bundesdeutscher Brennelemente mit Hilfe von Verträgen nach internationalem Recht mit der französischen und der englischen Regierung abzusichern. Sie gehen dabei davon aus, daß internationales Recht als höherrangig gilt als nationales Recht. Das würde bedeuten, daß sie im Eröterungstermin die Einwendungen gegen die Veränderungen des Einlagerungskonzepts für Schacht Konrad nicht sachlich zu beantworten brauchen, sondern versuchen werden, sie mit dem Hinweis auf die bereits abgeschlossenen Verträge als minderrangig, juristisch nicht relevant, abzuweisen.

Es wird also wieder einmal geplant, das mit Verfassungsrang ausgestattete Recht der Betroffenen auf das Erheben von Einwendungen mit einem juristischen Trick abzuwürgen und die öffentliche Auseinandersetzung ihrer Schärfe zu berauben. Auch auf einem zweiten Weg werden Entscheidungen vorbereitet, die sich folgenschwer auf dieses Genehmigungsverfahren auswirken werden.

Wie der taz vom 30.8. zu entnehmen ist, will Bundesumweltminister Töpfer bei der Neuformulierung der sogenannten „Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke“ die AKW-Betreiber dazu bringen, „eine umfassende Strategie über den Erwerb und die Verwendung von Kernbrennstoffen und die weitere Planung zu deren Verbleib einschließlich der Endlagerung von radioaktiven Abfällen“ nachzuweisen. Das können die AKW-Betreiber nur, wenn sie sich dabei auf Schacht Konrad stützen. Es folgt daraus: Töpfer muß sich schon sehr sicher sein, daß die Genehmigung für Schacht Konrad wirklich bald erteilt wird.

Das niedersächsische Umweltministerium will die Genehmigung für Schacht Konrad erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen im nächsten Sommer aussprechen.

Sollte der Abschluß der internationalen Verträge und die Neufassung der „Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge“ in Kürze gelingen und sollte im übrigen die CDU die Landtagswahl in Niedersachsen verlieren, dann wäre das in den Augen der Atomlobby kein Schaden; dann hätte eine SPD-Landesregierung diese bösartigen Tricks vor der Bevölkerung der Region Salzgitter und der ganzen Bundesrepublik zu vertreten.

Anna Masuch, Hannover