Auf Bougainville stehen die Minen still

■ In Papua-Neuguinea herrscht Ausnahmezustand / Landbesitzer wollen auch vom Kupferraubbau profitieren / Provinzminister ermordet

Berlin (taz) -Der Mord an Bougainvilles Handelsminister Joh Bike, der in der Nacht zum Montag vor den Augen seiner Familie erschossen wurde, geht nach Angaben von Augenzeugen eindeutig auf das Konto von Francis Ona, dem Rebellenführer, der seit Monaten die zu Papua-Neuguinea gehörende Südpazifikinsel in Atem hält. Maskierte mit rotem Stirnband und darauf den Buchstaben B.R.A. hatten am Mittwoch vergangener Woche zwei riesige Strommasten zerbombt, ohne die sich die Panguna-Grube nicht erneut in Betrieb nehmen läßt. Die Grube ist eins von momentan zwei Bergbau -Großprojekten und zählt zu den weltweit größten Tagebauminen.

Vergangene Woche hatte die Bergbaufirma BCL, die dem australischen Rohstoffkonzern Conzinc Riotinto und zu etwa 20 Prozent dem Staat Papua-Neuguinea gehört, vergeblich versucht, die seit 15.Mai geschlossene Panguna-Mine erneut in Betrieb zu nehmen. Doch viele Arbeiter, seit Monaten durch Drohungen eingeschüchtert, kamen nicht, den Rest vertrieb Francis Ona mit seinen Aufständischen. Die umkämpfte Kupfergrube, zu deren Hauptabnehmern bundesdeutsche Firmen zählen, war bis zu ihrer Stilllegung Mitte Mai die seit 20 Jahren größte Einnahmequelle des Landes. Die Mine brachte Geld und Suff, Arbeitskräfte aus dem Hochland und traumhafte Profite, sie zerstörte Bäume, Jagdgründe und Hütten, ließ neue Städte entstehen, zerrüttete alte Sitten und überfremdete die vor dem Kupfer -Boom beschauliche Bougainville.

Als 1975 Australien seine Kolonie in die Unabhängigkeit entließ, wurde die Kupferinsel Provinz. Den Landbesitzern in Panguna blieb nicht mehr als ein Almosen. 1988 etwa, als die Gewinne Rekordmarken erreichten, kassierten Staat und Provinz 160 Millionen Kina (1 Kina 1,20 DM). Den Besitzern, auf deren Grund und Boden die Grube steht, blieben ganze zwei. Hatte die ältere Generation in den zwanzig Dörfern in Bergwerksnähe diesen Ausverkauf noch hingenommen, so machen die Jüngeren seit 1987 radikal Front.

Das Land gehört in Papua-Neuguinea zwar nach wie vor dem Clan, die Bodenschätze jedoch dem Staat. Jede Generation kämpft deshalb erneut um höhere Entschädigungen. Um die Jahrtausendwende ist das Panguna-Vorkommen erschöpft, da bleibt kaum noch Zeit für Nachforderungen. Der Konflikt zwischen enttäuschten Landbesitzern, Staat und BCL eskalierte, weil die Mine das Flußbett des Jaba Rivers durch Abfälle, Chemikalien und Schwermetalle verschmutzt, die Umwelt zerstört und den Regenwald verwüstet.

Ende 1988 sperrten die Militanten um Francis Ona erstmals Straßen, fackelten Gebäude ab und sprengten Strommasten. Panguna stand tagelang still. BCL-Veteran Ona gilt Ortsansässigen seitdem als Held. Onas Leute, ausgestattet mit geklauten Zündern, Dynamit, Jeeps und Walkie-Talkies, wurden zu Busch-Saboteuren, die vom Urwald aus Panguna und die umliegenden Städte attackieren.

Regierungschef Rabbie Namaliu ließ Polizisten und Soldaten anrücken. Trotz Ausgangssperre setzen Ona und Co. in den Bergen um die Mine seitdem unbeirrt ihre Sabotageakte fort. Das Ziel heißt nun: Bergbau-Stopp und politische Sezession.

Gespräche scheiterten, unzählige Ultimaten verstrichen. BCL -Boß Bob Cornelius schickte seine 3.560 Mann nach Hause und machte den Laden zu. Soldaten wurden aus dem Hinterhalt erschossen, Vergeltungsaktionen der Polizei blieben nicht aus. Seit Mitte des Jahres herrscht auf Bougainville Ausnahmezustand. Gut 2.000 Soldaten, 70 Prozent des Armeekorps, sind im Einsatz.

Die Verluste durch Produktionsausfall sind so enorm, daß ein Finanzkollaps droht. Zwanzig Prozent des Etats sind praktisch futsch. Das Vertrauen der Vorstandsetagen von Konzernen, die im fernen Bodenschatz-Schlaraffenland mitmischen wollten, ist nachhaltig erschüttert. Ob die Tagebaumine, die im Panguna-Gebiet die Landschaft verschluckt, demnächst wieder Erz ausspuckt, ist äußerst fraglich. Panguna reißt das Land in eine tiefe Krise, die bislang 29 Tote forderte. Und ein Ende des zehnmonatigen Aufruhrs ist nicht in Sicht.

Eckart Garbe