Poetische Fleischklößchen

■ Die dünne Musik-Suppe des kanadischen Rock-Poeten Bruce CockburnD+9.e

Bruce Cockburn hat abgespeckt: nicht im physischen Sinne, sondern musikalisch. War er 1985 und 1986 jeweils noch mit voller Besetzung unterwegs, so trat er diesmal im kleinen und intimeren Trio zusammen mit seinen alten Weggefährten Mike Sloski (Drums) sowie Fergus Marsh (Chapman-Stick) auf. Und zu Beginn des Konzerts hatte es den Anschein, daß diese Reduzierung sich gelohnt hat: das Zusammenspiel wirkte intensiv, die drei bezogen sich aufeinander, agierten in dichter Kommunikation.

Die Irritation setzte da ein, wo das Publikum einen unsäglich countrymäßigen Titel genauso bejubelte wie alles, was vorher war, wie alles, was noch kommen sollte, wie alles, wofür sie je bezahlt. Ist es wirklich so unausweichlich, daß man mit dem Erwerb der Eintrittskarte auch die kritische Distanz zuhause läßt? Welcher Künstler ist so genial, daß jedes Stück zu einem neuen großen Wurf wird?

Kaum einer, und erst recht nicht der Bruce Cockburn nach Stealing Fire, jenem 1984 erschienenen Album, das ihn hierzulande bekannt gemacht hat.

Damals schrieb er nicht nur wunderschön sensible und gleichzeitig auch aggressiv zupackende Texte, er war auch in der Lage, die von ihm mit Worten geschaffene Atmosphäre musikalisch umzusetzen. Seine poetischen Fähigkeiten hat er seither nicht verloren, was ihn in der Rockszene nach wie vor zu einer Ausnahmeerscheinung macht. Aber was ist nur mit seiner Musik passiert?

Einen gewissen Hang zum Seichten, zum romantisch bis mystisch Angehauchten hat er schon immer besessen. Aber es gab eben auch die andere Seite, die einen darüber hinweghören ließ. Und die nächsten beiden Alben - na ja, kommerzielle Ausrutscher vielleicht, so tröstet man sich, den Verlockungen erlegen, ein noch größeres Publikum zu erreichen.

Spätestens seit Dienstagabend ist mir klar: Bruce Cockburns Beschränkung liegt in seinen kompositorischen Fähigkeiten. Er hat ohne Zweifel sehr schöne Lieder geschrieben, aber eben auch leider eine Menge musikalische Dutzendware, in der das banale Drei-Akkord-Schema seiner Folkievergangenheit mehr als deutlich durchschimmert. Da retten ihn dann auch seine offensichtlichen poetischen Künste nicht mehr - das Gutgemeinte verpufft in klanglicher Belanglosigkeit.

Mehr als zwei Stunden rackern er und seine beiden Mitstreiter auf der Bühne, werden vom begeisterten Publikum insgesamt dreimal zurückgeholt. Aber selbst die virtuose Akrobatik von Fergus Marsh auf dem Stick kann den schalen Geschmack nicht verhindern, der sich bei mir an diesem Abend einstellt - auch wenn etwa vierhundert Menschen um mich herum uneingeschränkt jubeln.

JüS