VERSCHÄMTES HÄUTEN

■ „Sukkubus“, Versuch eines Heimat-, Horror- und Splatter-Films im fsk

Eine Schweizer Sage muß von der Einsamkeit in den Bergen handeln, und eine Verfilmung muß mit der naiven Vorstellung aufräumen, es gäbe keine Sünden auf der Alm. Senn, Hirte und Hüterbub leisten den Hirteneid, der sie in die Pflicht nimmt, zu hüten, nicht zu töten und Gerechtigkeit unter Mensch und Tier walten zu lassen. Das hierarchisch organisierte Dreigespann treibt dralle Kühe auf die Wiesen, die sich malerisch zwischen Gletschern und Felsen dahinlagern. Keine Milka-Idylle, denn im Hochgebirge, fernab jeglicher Zivilisation, sorgen Jagdtrieb und männliche Geilheit fortlaufend für Verletzungen der Hirtenehre und geladene Stimmung der Mannen untereinander.

Während sich die Heimat-Natur-Fraktion gütlich tun kann an beeindruckenden Bildern über die ganz ursprüngliche, biodynamische Herstellung von Butter, Rahm und Käselaiben, ahnen Horrorfans schon das Unheil, das soviel unterdrückte Sexualität mit sich bringen wird. Besonders Giovanni Früh in der Rolle des Hirten wieselt mit polanskihafter Teuflischkeit durch die Szenerie, nagelt Bannzeichen an Türen, kennt jeden abergläubischen Brauch, sei er christlicher oder heidnischer Herkunft. Er treibt den wortkargen Senn (Peter Simonischek) zu einem Besäufnis, das im berauschten Fick einer eilends zusammengebastelten Stoffpuppe kulminiert, naturbelassen animalisch und mit vorhergehender Taufe, versteht sich. Die Puppe bleibt nicht aus Stoff - so will es die Sage -, sondern verwandelt sich in ein Wesen aus Fleisch und Blut, ein Sukkubus, das böse Rache bei den fehlgeleiteten Hütern nehmen wird.

Wie immer die Sage es will, der Auftritt von Pamela Prati, die bis zum Ende des Films von nun an ständig unvermittelt ins Bild springt, um einige Jutefetzen von ihren Playgirlbrüsten zu reißen und mit dem roten Hurenstrumpf ihren Pakt mit dem Teufel zu demonstrieren, ist reine Verschwendung der bisher eingesetzten Mittel. Zweimal muß die sexy Hexy zum Messer greifen, um Hirt und Senn die Haut über die Ohren zu ziehen, damit die Splattergemeinde wenigstens halbwegs auf ihre Kosten kommt (ausgerechnet beim Häuten wird ausgeblendet).

Das größere Verbrechen ist das platte Ausmalen männlicher Phantasien. Weder die Prati noch eine andere Frau auf der Welt könnte die Primitivität glaubwürdig verkörpern, die den Hirngespinsten dieser Älpler und anderer Männer gerecht würde. Wenn selbst das Vieh enthemmt alle Euterschleusen öffnet, hätte man sich die ganze Mühe um ein stimmiges Alpendrama von vornherein sparen können. Regisseur Georg Tressler, der in den fünfziger und sechziger Jahren die deutschen Jugendfilme mit Horst Buchholz, Karin Baal und Elke Sommer drehte, hält sich nach einer Selbstaussage immer noch für einen „verrückten Idealisten“.

Barbara Schäfer

„Sukkubus“ im fsk, Wiener Straße 20, 1/36, 14.-20. September, 22 Uhr.