„Den Bach runter“

Interview mit Manfred Müller, dem Landesvorsitzenden der HBV, zu den Konsequenzen eines coop-Konkurses  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Müller, was würde ein Konkurs für die Berliner Beschäftigten bedeuten?

Müller: Das wäre sicher die denkbar schlechteste Lösung. Denn das würde bedeuten, daß die Mitbewerber aufkaufen und sich die Rosinen rauspicken. Für die Beschäftigten dieser Filialen hätte das zwar den Vorteil, daß sie übernommen werden müßten. Doch die Mitarbeiter aus weniger umsatzstarken Geschäften und der ganze rückwärtige Dienst, also Fuhrpark, Lager und Verwaltung würden keine solchen Angebote kriegen, weil die Mitbewerber diese Infrastruktur selbst schon haben.

Würden viele Filialen geschlossen werden?

Davon ist auszugehen. Denn es gibt ja zwei Möglichkeiten, sich den coop-Umsatz unter den Nagel zu reißen. Entweder man übernimmt Filialen oder man erreicht, daß diese Filialen geschlossen werden und die Kunden dann bei der Konkurrenz kaufen. Das wäre der billigste Weg für die Aufkäufer.

Wie lange wäre das Einkommen der Beschäftigten gesichert?

Im Konkursfall ist das bis zu drei Monate durch das Konkursausfallgeld des Arbeitsamtes gesichert. Bei Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes kann sich der Betriebsrat noch bemühen, einen vernünftigen Sozialplan hinzukriegen. Das Warten auf den Sozialplan ist aber keine Perspektive. Beim Konkurs ist besonders den Beschäftigten im Zentralbereich zu raten, sich schnell nach einem neuen Job umzuschauen.

Es gibt Gerüchte, Waren würden nicht mehr angeliefert oder sogar aus den Filialen wieder rausgeholt.

Bestimmte Frische-Artikel wie Milch und Joghurt wurden tatsächlich zunächst nicht ausgeliefert, das hat sich aber im Lauf des Tages gebessert, als die Geschäftsleitung angewiesen hat, daß Lieferanten, die Bargeld wollen, auch gleich cash ausbezahlt werden.

Wie bewerten Sie die Informationspolitik der Geschäftsleitung gegenüber den Beschäftigten?

Die ist skandalös. Die Beschäftigten konnten sich auch nur aus dem Rundfunk informieren. Es hätte eines klaren Wortes der Geschäftsleitung bedurft, damit die Beschäftigten nicht den tausend Gerüchten ausgeliefert sind.

Sitzen denn schon Aufkäufer in den Startlöchern?

Ich habe keine konkreten Hinweise. Aber es gab sie immer, und es gibt sie auch jetzt. Das sind drei: Reichelt, Kaiser's und die Euromarkt-Penny-Gruppe. Ich habe die Befürchtung, daß bei der Übernahme von Teilen der Berliner coop durch diese Großen das Kartellamt keine „marktbeherrschende Stellung“ attestieren wird und das durchgehen läßt. Dann ist die Konsequenz, daß alles, was den Aufkäufern nicht paßt, den Bach runtergeht.

Interview: kotte