Kritik an DGB-Bürokratie

■ Gemäßigte Erregtheit auf der Landesjugendkonferenz des DGB / Kontroverse um das Jugendzentrum Brunnenstraße / Vorwürfe gegen Landesjugendsekretär

„Einheit ist Vielfalt“ lautete das Motto, unter dem die 14. Landesbezirksjugendkonferenz des Berliner DGB gestern ihren Verlauf nahm. Während Bundesvorstandsmitglied Ilse Brusis unter anderem über die europäische Einigung referierte, trafen die rund 50 Delegierten, die an die 27.400 Karteileichen vertraten, ihre jeweils ganz persönlichen Konferenzvorbereitungen - es hörte kaum jemand hin.

Die gepflegte Langeweile wich dann erstmals unter den TOPs fünf und sechs - Erläuterungen zum Geschäftsbericht und Aussprache - einer gemäßigten Erregtheit. Der von Landesjugendsekretär Detlef Kuchenbecker vorgelegte Geschäftsbericht (1986-89) wurde als „Rechtfertigungsbericht“ und „oberflächlich“ kritisiert. Zuvor hatte Kuchenbecker einige Erklärungen zum Geschäftsbericht und zu seinem Verständnis gewerkschaftlicher Jugendarbeit abgegeben. Neue Formen der Jugendarbeit sollten ausprobiert, die alten Traditionen der Arbeiterbewegung jedoch bewahrt werden. Bei den „Kreuzberger Antifaschisten“ konstatierte er schließlich eine „Lücke zwischen Anspruch und Handeln“.

Nach einem beeindruckenden Spagat des DGB-Sekretärs zwischen der „Verstaatlichung von Schlüsselindustrien“ und Ansätzen offener Jugendarbeit wurden die „Lücken“ der Berliner DGB-Jugendpolitik durch die Delegierten zur Sprache gebracht. Anhand von Fallbeispielen wurde aufgezeigt, daß auch in der DGB-Gewerkschaftsjugend Anspruch und Handeln nicht zwangsläufig identisch sind. Vertreter der Antifa -Arbeitsgruppe klagten über die mangelnde Unterstützung ihrer Arbeit sowie bürokratisches Vorgehen der zuständigen Stellen, das in der Vergangenheit oft zu erheblichen Behinderungen ihrer Arbeit geführt hätte. Schließlich würden die Leute die Lust verlieren und aufhören, in den Einzelgewerkschaften und beim DGB aktiv zu sein.

Die Lust verloren hatte laut Bekunden auch die Arbeitsgruppe Jugendzentrum Brunnenstraße. Hier hat die Mehrzahl der Jugendlichen nach zum Teil jahrelanger Planungs - und Aufbauarbeit die Hoffnung verloren, ein von vielen Gewerkschaftsgremien beschlossenes und in der Gewerkschaftsöffentlichkeit breit unterstütztes Konzept offener Jugendarbeit gegen die Apparate-Bürokratie verteidigen zu können. Den Höhepunkt erreichte der Disput mit einigen wüsten Anschuldigungen des Jugendsekretärs, der einzelnen Mitgliedern der AG Arroganz und Faulheit vorwarf. Erst nach der Pause wurde die Konferenz wieder in einem entspannteren Klima fortgesetzt. Ein ÖTV-Sekretär würdigte ausdrücklich die Arbeit der AG.

Bei der Beratung der vorliegenden Anträge u.a. zur Jugendarbeitslosigkeit, zum Bildungsurlaubsgesetz und vor allem auch zum Rechtsextremismus verlief alles friedlich. Mit großer Mehrheit forderte die Konferenz ein Verbot faschistischer Organisationen und empfahl die Unvereinbarkeit von Gewerkschaftsmitgliedschaft und der Mitgliedschaft bei den „Republikanern“.

Michael Mohr