Ivorys Menschenzoo

■ „Großstadtsklaven“ - zu James Ivorys Verfilmung des gleichnamigen Buchs von Tama Janovitz

Nachdem ich Prostituierte geworden war, hatte ich mit Penissen jeder nur vorstellbaren Form und Größe zu tun. Einige riesig, andere völlig zusammengeschrumpft und mit frei baumelnden Hoden.“ Es folgen detaillierte Beschreibungen und schließlich die Erkenntnis: „Ich wurde zusehends dankbarer, daß ich nicht mit so einem Anhängsel herumlaufen muß.“

So unverblümt beginnt Großstadtsklaven, das Buch von Tama Janowitz. Jetzt gibt es den Film zum Buch, und er ist wie eine Blümchentapete.

So geht das: Morgens Liebling der Literaturschickeria - man freut sich über ihre spitze Zunge -, abends fest im Griff des erbarmungslos feinsinnigen Filmerteams Merchant/Ivory. Mit flanellgedämpfter Kamera verfolgen sie Elenor, die Hutdesignerin auf ihrem Weg durch die New Yorker Party-, Disco-, Mode- und Galerienszene. Hier ist jeder ein Selbstdarsteller mit sorgsam gepflegter Privatmacke; alle sind sie Künstler: Während sie auf den großen Erfolg warten, verbringen sie ihre Zeit vorerst in den Nightclubs.

Aber Elenor interessiert sich nicht für Ausgeflippte, sie ist, wie Miss Janowitz meint, „wie so viele andere junge Frauen ihrer Zeit; sie will eine glückliche Beziehung, eine erfolgreiche Karriere und ein normales Leben“. Aber sie ist auch eine exotische Blume, sonst wäre sie nicht in diesem Film. Sie entwirft und trägt bizarre Hüte, deren Einzelteile sie aus dem Müll zusammensucht, und sie arbeitet als Korrektorin in einer Zeitung, obwohl sie die Rechtschreibung nicht beherrscht.

Regisseur James Ivory spielt Flaneur im Disneyland der Schrillen und Flippigen, wohlwollend betrachtet er diese fremde Welt und stellt die verschiedenen Exemplare aus: ein Menschenzoo. Die Message der Dialoge ist so einfach wie die der Bilder: Im Freakland New York bist du der Sklave deines Partners, wenn dem die Wohnung gehört. Hast du selbst eine Wohnung, ist es umgekehrt.

Tama Janowitz selbst hat aus ihrem Buch das Drehbuch geklöppelt, eine durchgängige Story gibt es nicht: Eine Art Wandteppich mit Menschenmuster, wie er als lustige Anspielung auf die Neuzeit so recht auf die palisandergetäfelten Wände der bekannten Ivory-Interieurs paßt. Schade, daß Andy Warhol, der die Filmrechte für Großstadtsklaven gekauft hatte, von seinem Recht nicht mehr Gebrauch machen konnte: Sicher wäre es dann bissiger und poppiger geworden.

Gunter Göckenjan

James Ivory: Großstadtsklaven, mit Bernandette Peters, Chris Sarandon, Mary Beth Hurt, Buch: Tama Janowitz, USA 1989