Man spricht deutsch

■ Die Zerstörung von Alain Resnais‘ neuem Film „I want to go home“ durch die Synchronisation

Diesen Film habe ich nicht gesehen. Bloß das, was nach der Synchronisation von ihm übriggeblieben ist.

Ein Amerikaner, der in die Jahre gekommene Cartoonist Joey Wellman kommt nach Paris, um seine frankophile und amerika -hassende Tochter zu besuchen. Joey kommt nicht zurecht, er kann kein Wort französisch, und es empört ihn, daß niemand ihn versteht: „In den Filmen über den Zweiten Weltkrieg sprechen die Franzosen doch auch amerikanisch“. Paris ist unmöglich: Die 10-Francs-Münzen sind kleiner als die 5 -Francs-Münzen, zum Telefonieren braucht man eine Kreditkarte, und auf der Cartoon-Ausstellung finden sich zwar seine Hepp-Cat- und Sally-Cat-Zeichnungen, aber die Gags versteht ja sowieso keiner. Joey möchte zurück, kaum daß das Flugzeug gelandet ist.

Die Pariser wiederum parlieren unbekümmert französisch mit ihm, allen voran der in Yuppie-Kreisen verkehrende Literaturprofessor und Flaubert-Spezialist Christian Gauthier (gespielt von Gerard Depardieu), der gelegentlich auch gerne über Comics philosophiert: „Was ist authentischer, die Maus oder Micky, eine Ente oder Donald Duck?

So reden, 90 Minuten lang, alle aufeinander ein und aneinander vorbei, machen schlechte Witze und eine unglückliche Figur, meckern und jammern, in nörgelndem Ton, geben sich verheult oder exaltiert, ein peinlicher Auftritt folgt dem nächsten, Mobiliar wird zertrümmert, eine Frau hängt vom Balkon herunter, ein Mann steht Kopf: ein Film wie ein Cartoon. Und wenn die Lage endgültig verfahren ist, schalten sich Joeys Comic-Katzen ein, richtig gezeichnet und mit Sprechblasen. Sie schimpfen Joey aus oder seine Tochter, wissen es besser und nerven mit Ratschlägen, die keiner befolgt.

Bloß, was die Lage so hoffnungslos macht, nämlich das babylonische Sprachengewirr, ist in der deutschen Fassung nicht zu hören: man spricht deutsch und versteht sich eigentlich prächtig.

Nein, ich habe diesen Film nicht gesehen. So kann ich auch nicht beurteilen, ob es Resnais tatsächlich gelungen ist, die Künstlichkeit und die Kunst der Übertreibung vom Zeichentrick- in den Spielfilm hinüberzuretten. Ich kann nicht beurteilen, ob ihm nach seiner genialen Tragödie Melo auch diese Komödie gelungen ist. Ich weiß nicht zu sagen, ob der Maskenball im Märchenschloß von Gauthiers Mutter die Figuren tatsächlich zur Kenntlichkeit entstellt: der rührend-hilflose Joey (gespielt vom 74jährigen Broadway -Star Adolph Green) ist mit seinem Sally-Cat-Gesicht dem alten Chaplin noch ähnlicher, seine chronisch leidende Tochter Elsie als Tweetie-Küken im gelben Federkleid sieht endlich so kindisch aus, wie sie sich benimmt, und Gerard Depardieu steht das Popeye-Kostüm so gut, als sei die Figur nach ihm erfunden. Ich kann mich nicht freuen über die Völkerverständigung auf dem Dorfplatz am Ende, als Joey nach seinem verzweifelten „I want to go home“ erfreut feststellt, daß auch Franzosen die Namen Humphrey Bogart, Henry Fonda und John Wayne schon einmal gehört haben. Und ich kann mich nicht ärgern über den viel zu langen Schluß, die zahllosen familiären und ehelichen Versöhnungs-Szenen, die dem Märchen -Happy-End auf dem Dorfplatz ein noch dickeres Ende bereiten.

Von einem Cartoonisten-Film träumte Resnais schon lange. Vor 40 Jahren fotografierte er in London Drehorte für einen Streifen über den Lieblingskrimihelden seiner Kindheit, Harry Dickson; ein anderes Projekt ist The Monster Maker, geschrieben von Stan Lee, dem Erfinder der Marvel Comics. Auch mit dem Cartoonisten Jules Feiffer, dessen Comics Resnais seit 1956 in der 'Village Voice‘ bewundert, wollte er schon lange zusammenarbeiten: Das Drehbuch zu „I want to go home“ hat Feiffer ihm geschrieben.

„Man kann meist nur Filme machen, die man machen darf, nicht die man machen will“, sagt Resnais. I want to go home ist der erste von denen, die er schon immer machen wollte. Ob er was taugt, werden die Franzosen beurteilen müssen.

Christiane Peitz

Alain Resnais: I want to go home, Drehbuch: Jules Feiffer, mit Adolph Green, Gerard Depardieu, Linda Lavin, Laura Benson, Geraldine Chaplin, Frankreich 1989, 104 Minuten.