CDU sucht Frauen, Jugend und Geld

Der Aufstand der Frauen auf dem CDU-Parteitag fand auf den Gängen statt / 75 Millionen Schulden: Parteispenden, Mitgliederzahlen und Wahlkampf-Kostenerstattungen sind rückläufig / Die Hälfte der Mitglieder ist über 50 Jahre, unter 30 sind nur sechs Prozent  ■  Aus Bremen Klaus Wolschner

Am Mittwoch morgen, während das Plenum des Bremer CDU -Parteitages die Ausländer-Frage debattierte, fand auf den Gängen eine Parallelveranstaltung statt: Rita Süssmuth mußte ein Interview nach dem anderen geben, und die Frauen der „Frauen-Union“ redeten sich in Rage: Einigen gehe es um die Schwächung der Frauen, hatte Süssmuth erklärt, ein „Keil soll in unsere Frauenarbeit getrieben werden“.

Am Stand der Frauen-Union großes Gedränge. Das sei ein „Parteitag der Peinlichkeiten“, ereifert sich eine. „Ich war immer gegen die Frauenquote, aber allmählich bringen die mich dahin.“ Spät am Dienstag abend hatten die Delegierten beschlossen, daß nicht mehr alle CDU-Frauen automatisch Mitglieder der Frauen-Union sein sollen. 150.000 Mitglieder kann die Frauen-Union derzeit aufweisen, aber wenn jede in einem getrennten Akt in die Frauen-Union eintreten und eventuell extra bezahlen muß, dann könnte die Mitgliederzahl in die Nähe der Vereinigung der Arbeitnehmerschaft (CDA) bei 30.000 abrutschen - mit Folgen für die Finanzausstattung der Frauen-Union.

Den nächtlichen Beschluß hatte Süssmuth am Mittwoch morgen noch einmal zur Diskussion gestellt und erreicht, daß die Frauen-Union bis 1994 selbst ein Konzept für ihre Organisationsstruktur erarbeiten kann. Ab sofort, so der Beschluß des Frauen-Union-Vorstands gestern morgen auf einer Sondersitzung, sollen aber Nicht-CDU-Frauen Mitglieder der Frauen-Union werden können.

Mehrfach wurde daran erinnert, daß die Frauen in der Arbeit der Partei in der Regel deutlich unter den 22 Prozent ihres Mitgliederanteils liegen. Und da hat sich in den letzten Jahren wenig geändert. „Die Ablehnung einer Quote durch die CDU ist nur dann glaubwürdig, wenn mehr Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Mitgliedern die Möglichkeit der Kandidatur (...) eröffnet“ werde, steht in dem Papier „Zur modernen Parteiarbeit“, das der Parteitag verabschiedete.

Aber nicht nur bei den Frauen hat es die CDU schwer, auch bei der Jugend. Die Hälfte aller CDU-Mitglieder ist über 50 Jahre alt, nur sechs Prozent sind unter 30. „Anlaß zur Sorge geben die Strukturdaten vieler Ortsverbände“, räumt das Papier zur modernen Parteiarbeit ein: „Es gibt Ortsverbände, die keine weiblichen und keine Mitglieder unter 25 Jahren haben.“

Eine Partei ohne Zukunft für die 90er Jahre? In der Praxis ist die CDU auch rein finanziell pleite: 75 Millionen Schulden wird sie Ende 1989 haben, teilte der Schatzmeister Leisler-Kiep mit, die CDU habe ein „Einnahmeproblem“: Die Anzahl der zahlenden Mitglieder sinkt, ein „außerordentlich starker Einbruch“ sei bei den Wahlkampf-Kostenerstattungen zu verzeichnen, allein bei den Europa-Wahlen kassierte die CDU 17 Millionen weniger als erwartet. Und die Spendeneinnahmen sanken: 1976 waren es 13 Millionen, 1988 rund 2,5 Millionen. „Wir sind solidarisch mit den Angeklagten“, rief Leisler-Kiep den Delegierten zu. Nicht ganz uneigennützig: Er selber hat seit Jahren ein Verfahren anhängig.

Leisler-Kiep wollte den Betrag, der von jedem Mitgliederbeitrag an die Zentrale abgeführt wird, von einer auf zwei Mark erhöhen und kleinere Kreisgeschäftsstellen schließen. Aber da hatte er die Delegierten falsch eingeschätzt. Die Antragskommission hatte als Kompromiß die Feststellung vorgeschlagen, daß es kleine Kreisgeschäftsstellen gibt - selbst das wollten die Delegierten in ihrem Papier nicht lesen. Und die Kohl sonst alles gaben, was der für seinen Wahlverein haben wollte, stellten sich beim Geld quer: Für die Zentrale gab es DM 1,25 und nicht einen Pfennig mehr.

Die CDU müsse „diskussionsfreudiger“ werden, die Frauen und die Jungen mehr in den Vordergrund stellen, sich nicht wie in einer „Wagenburg“ verschließen, sondern „wie ein Fisch im Wasser“ bewegen - in der allgemeinen Aussprache über die Parteiarbeit schwang die Sorge mit, daß die CDU eben nicht, wie das immer wieder beschworen worden war, für die „Herausforderungen“ gewappnet sei.