CDU und Asyl: Zuckerbrot mit Bitterstoffen

Der Bremer Parteitag diskutierte die Ausländerpolitik / Barbara John zu der Diskussion: „Ein kleines, ängstliches Hasenherz“ / Leitantrag der Partei fast identisch mit Gesetzentwurf der Bundesregierung / Späth: AsylbewerberInnen sollen für Sozialhilfe arbeiten  ■  Aus Bremen Ferdos Forudastan

In ganze sechs Worte sieht die CDU ihren Parteiantrag zur Ausländer- und Asylpolitik gerne zusammengefaßt: Zuzug stoppen, Integration erleichtern, Asylrecht verschärfen. Auch den Delegierten des Bundesparteitages der CDU in Bremen schienen diese Schlagworte entscheidend. Fast alle stimmten für die von Innenminister Schäuble und Heiner Geißler ausgearbeitete politische Absichtserklärung in Sachen Ausländer und Asylbewerber. Gleichzeitig bekundeten sie damit ihre Zustimmung zu einem fast identischen Gesetzentwurf, den Schäuble in diesem Herbst ins Kabinett einbringt. Damit soll vor allem das Ausländerrecht präziser und bundeseinheitlich geregelt werden.

Asylrecht verschärfen - dieses Ziel läßt sich aus dem Leitantrag recht deutlich herauslesen. Asylbewerber, die bereits in einem anderen Staat „sichere Aufnahme“ gefunden haben, sollen bereits an der Grenze zurückgewiesen werden können. Einen Änderungsantrag der CDU-Sozialausschüsse - die den Leitantrag übrigens insgesamt loben - abzuweisende Flüchtlinge müßten nicht nur sicher, sondern auch dauerhaft in einem anderen Land aufgenommen worden sein, lehnten die Delegierten des Parteitages nahezu geschlossen ab. Weiterhin will der Leitantrag die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beschleunigen. Zu diesem Zweck strebt man an, die Verfahren dezentral durchzuführen und das Zusammenwirken der Behörden von Bund und Ländern noch enger zu verzahnen. Die individuelle Prüfung jedes einzelnen Antrages würde nach dieser Leitlinie weiter eingeschränkt, denn: „Anträge von Asylbewerbern aus Ländern, in denen eine Verfolgung erkennbar nicht stattfindet, sollen mit Vorrang bearbeitet werden.“ Das Arbeitsverbot für Asylbewerber soll „überprüft“ werden, und dies bedeutet, es ist eine Lockerung zu erwarten. Einen Antrag, es auf sechs Monate zu beschränken, schmetterte der Parteitag ab. Desgleichen fiel die Forderung durch, rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber nicht nur dann abzulehnen, wenn Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern auch, wenn „schwerwiegende politische, rechtliche und humanitäre Gründe“ entgegenstünden. Zwei weitere Stichworte des Leitantrages: „EG-Harmonisierung“, sprich Vereinheitlichung und Ergänzung, sprich Änderung des Grundrechts auf Asyl, falls es tatsächlich irgendwann ein europäisch einheitliches Recht gibt.

Innenmister Schäuble hätte die Zügel auch noch etwas straffer anziehen können. Dies zeigte die Aussprache: „Religiöse Minderheiten“ hierzulande würden sich selbst „separieren“. Die vielen Türken in der Bundesrepublik könnten soziale Gegensätze schaffen, die „ungeheure Erruptionen“ mit sich brächten. Es wäre durchaus möglich, „daß kommende Generationen uns eines Tages verfluchen, wenn es in Berlin bald so aussieht wie in Beirut“. Diese Sätze eines Delegierten ernteten zwar keinen lauten Beifall. Recht heftig beklatscht wurde jedoch die Rede des baden -württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth - und die war lediglich etwas leutseliger: Vom ausländischen Mörder zweier Stuttgarter Polizisten, der nicht habe ausgewiesen werden können, sprach Späth, vom schwäbischen Bauern, der auf dem Feld und der schwäbischen Oma, die in der Küche schaffe, während der Asylbewerber in der Gaststube sitzt. Späth will Asylbewerber zwar arbeiten lassen, sie allerdings nur auf Sozialhilfeniveau plus fünf Mark täglich entlohnen, „sonst schreiben die nach Pakistan: 'Ich krieg‘ hier zweieinhalbtausend‘, wie erklären Sie dann den Leuten, weshalb sie nicht kommen sollen?“

Zuzug stoppen, Integration erleichtern - tatsächlich bietet der Entwurf den hier lebenden Ausländern Zuckerbrot mit Bitterstoffen. Nachgezogene Ehepartner sollen nach „längerem Bestand der Ehe“ bei Tod ihres Partners, oder bei Scheidung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten. Den Ehegatten auch eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, wie dies ein paar Delegierte gefordert hatten, lehnte der Parteitag ab. Ausländer der zweiten und dritten Generation dürften nur unter ganz engen Voraussetzungen ihre Ehepartner hier herholen: Wenn sie einen „befestigten Aufenthaltsstatus“ hier haben, der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialilfe gesichert und für „ausreichenden Wohnraum gesorgt“ ist. Mit ihrem Antrag, diese Bestimmungen zu streichen, kamen die Sozialausschüsse nicht durch.

Wie bisher dürfen Kinder nur bis zum 16. Lebensjahr nachziehen. Eine Wiederkehrmöglichkeit für jugendliche Ausländer soll ebenfalls nur unter ganz bestimmten Bedingungen eingeführt werden. Ein generelles Recht, Deutsche zu werden, gäbe es auch nach diesem Antrag nicht, gleichwohl will er die Möglichkeiten hierzu erleichtern: Die Mindestaufenthaltszeit für einen Einbürgerungsantrag etwa soll auf acht Jahre herabgesetzt werden. Allerdings werden auch künftig in der Bundesrepublik geborene Kinder mit einem deutschen Elternteil nicht als Deutsche geboren. Jugendliche Ausländer der zweiten und dritten Generation sollen erst mit 16 einen Einbürgerungsantrag stellen können. Eine doppelte Staatsangehörigkeit stünde Ausländern nur „unter besonders schwierigen und schikanösen Bedingungen„zu. „Dieser Antrag ist noch ein kleines ängstliches Hasenherz“, urteilte die Berliner Ausländerbeauftragte und Delgierte des Parteitags, Barbara John. Sie forderte engagiert die doppelte Staatsangehörigkeit, erleichterte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, ein Anti-Diskriminierungsgesetz und andere Erleichterungen. Beifall bekam sie nur von wenigen Delegierten, meist aus dem Lager der Sozialausschüsse. Da hatte es Johannes Gerster, CDU-Rechtsexperte im Bundestag, schon leichter. Als ihm von rechts vorgeworfen wurde, der Antrag fordere, die Verpflichtung zur Abschiebung lediglich bei schweren Delikten als Nebenstrafe im Strafgesetzbuch zu verankern, schüttelte er flugs eine Verschärfung aus dem Ärmel: Dann müsse es eben heißen „bei schweren Delikten und im Wiederholungsfall“ - in der Praxis: Auch wenn ein Ausländer zweimal hintereinander ein T-Shirt klaut.