Zelte - ein überflüssiger Schreckschuß

■ Aus- und Übersiedler landen in anderen Notquartieren / Wohlfahrtsverbände fordern mehr Personal

Die Zelte, die Sozialsenator Scherf vorsorglich und panisch für die Aus- und Übersiedler in Hemelingen aufstellen ließ, waren offenbar überflüssig. Ohne daß sie jemals bewohnt wurden, sind sie inzwischen wieder abgebaut (vgl. taz vom 26.8.). Die Wohlfahrtsverbände haben wiederholt mit der Einrichtung von Notunterkünften geholfen. „Das dürfen aber keine Dauerlösungen sein“, betonte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände gestern und nannte einige Beispiele: In der Peenemünder Straße richtete der Arbeiter-Samariter-Bund kurzfristig 30 Plätze ein, im Diakonissen-Mutterhaus fanden Aussiedler Unterkunft, ein Kindergarten erklärte sich bereit, eine Woche lang für Gemeinschaftsessen zu sorgen, Kirchengemeinden halfen.

Über die nötige Personalausstattung zur Betreuung der Aus -und Übersiedler sind die Wohlfahrtsverbände jetzt mit dem Senat in Streit geraten. „Unter den Bedingungen sind wir nicht bereit, uns in die Arbeit einzuschalten“ erklärte Pfarrer Manfred Schulken gestern vor der Presse. Am Montag hatte der Sozialsenator den Wohlfahrtsverbänden seine Vorstellungen mitgeteilt: 2,5 Mitarbeiter pro 100 Menschen. Davon seien 1,5 Stellen nur in Anschlag zu bringen, wenn die Betreuung von Kindern und Jugendlichen anfalle. Bleibe eine MitarbeiterIn je 100 Neuankömmlingen übrig, die von der Begrüßung bis zu deren Auszug aus den Erst-, Not- und Übergangsunterkünften die gesamte Organisations- und Beratungsarbeit zu leisten hätten, rechnet Schulken: „Wir fordern einen Personalschlüssel von mindestens 3,5 Mitarbeitern, inklusive der Kinderbetreuung.“ Die Forderungen der Wohlfahrtsverbände wurden gestern dann auch der Sozialdeputation vorgelegt.

„Es kann nicht angehen, daß ein Mitarbeiter die Menschen begrüßt, ihnen Zimmer und Betten zuteilt, Matratzen besorgt, die Toiletten putzt und die erste Sozialberatung durchführt“, meint der Pfarrer. In den drei bestehenden Einrichtungen weiß er den doppelten Personalschlüssel verwirklicht.

Bei 5.800 Aus- und Übersiedlern, die das Land Bremen in diesem Jahr erwartet (davon rund 20 Prozent in Bremerhaven), sei auch die Sozialberatung selbst dem Ansturm „bei weitem nicht mehr gewachsen“: Auch hier müßten die derzeit zehn BeraterInnenstellen bei den Wohlfahrtsverbänden verdoppelt werden, fordert der DPWV-Bremen, „zumal zunehmend sehr komplizierte Fälle“ hinzukämen: Große Familien, die Schwierigkeiten mit Nachbarn haben, Arbeitsbeschaffung, schnelle Verschuldung der NeubürgerInnen, die oft genug bereits im Lager von Kre

ditofferten überfallen würden, schildert Schulken die Erfahrungen. Bisher seien die Beratungsstellen aus Bundesmitteln finanziert worden. Jetzt sei das Land Bremen gefragt, den Bedarf von 60 zusätzlichen Stellen für die nächsten zwei Jahre im Bereich Aus- und Übersiedler in Bremen zu decken.

„Wir haben schon vor acht Wochen dem Senat geschrieben, daß

wir zu Gesprächen über die Notsituation bereit sind“, betont Pfarrer Schulken und zeigt sich überrascht, daß dieses Kooperationsangebot nicht genutzt wurde.

In den notdürftigen Massenquartieren dürfen die Leute aber nur wenige Tage bleiben, fordert Schulken, „sonst wird ein Konfliktpotential geschaffen, das nicht zu verantworten ist.“ Rund 2.300 Plätze scheinen in ver

schiedenen Übergangswohn heimen gesichert, die im wesentlichen in der Trägerschaft von DRK, ASB, Stadt und Hans-Wendt-Stiftung geplant sind. 1.000 Plätze sind davon in Systemhäusern an zehn verschiedenen Standorten geplant. Heute mittag werden die ersten Familien in der Scharnhorst-Kaserne erwartet, die ebenfalls für fünf Monate zur Verfügung steht.

ra