piwik no script img

„Was gibt's denn hier zu lachen?“

■ Der „Fall Lummer“ beschäftigt das Abgeordnetenhaus

Spionagegeschichten sind immer interessant, zumal wenn Damen im Spiel sind. Das Abgeordnetenhaus nutzte gestern die Stunde, um - teils in Absicht, teils unfreiwillig - die Angelegenheit Lummer mit Komik zu behandeln. Unfreiwillig in den Reihen der CDU, denn dem Abgeordneten Finkelnburg wird man die Solidarität mit seinem Parteigenossen zur Rechten nicht abstreiten.

Mit schlüpfrigen Assoziationen im Kopf und sonstwo reagierten denn auch die Abgeordneten der Regierungsfraktion mit Gelächter, als Finkelnburg die Lanze für Lummer brach. Man solle Herrn Lummer für sein „Engagement“ im Osten danken, meinte er, Lummer habe immer den „Kontakt“ nach drüben gesucht, er sei eben ein Politiker, der das „Risiko nicht scheut“. Und mitten in die Unruhe hinein fragte Finkelnburg unverständig, er wisse gar nicht, „was es hier zu lachen gibt“. Ernst wurde dann zumindest er, als er die Unparteilichkeit des SPD-Abgeordneten Lorenz im Untersuchungsausschuß in Frage stellte. Der hatte in seiner Rede der CDU geraten, sich „bald von Lummer zu trennen“. Er versprach lückenlose Aufklärung ohne jede Rücksichtnahme auf parteipolitische Interessen.

Den „Mensch“ im Politiker beschwor der REP-Abgeordnete Degen. Jeder solle doch bei sich selbst mal - „Hand aufs Herz“ - fragen, ob nicht ein freundlicher Gesprächspartner drüben schon ein Spion gewesen sein könnte, rief er seinen Kollegen zu. Der Zeitpunkt der „Affäre Lummer“ ist für ihn kein zufälliger, „wo doch gerade hohe Ämter bei den Republikanern zu besetzen sind“. CDU-Landowsky konterte daraufhin: „Lummer ist bei uns gut aufgehoben.“ „Hokus pokus fidibus - dreimal Erich Mielke“ - kommentierte Renate Künast für die AL. Ihre Fraktionskollegin Lena Schraut schlug den historischen Bogen. Man solle sich mal vorstellen, daß in einer Zeit, als jeder Beamte jeden DDR-Kontakt seiner Dienststelle melden mußte, Abgeordnete völlig ungeniert in Ost-Berlin durch die Kneipen gezogen wären. Einer jungen Lehrerin hätte die Teilnahme an einer Vietnam-Demo den Job gekostet - ein Heinrich Lummer dürfe trotz Stasi -Ausforschung Innensenator werden.

bf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen