Anhörungsfarce-betr.: "Beth verteidigt Skandal-Anhörung", taz vom 8.9.89

betr.: „Beth verteidigt Skandal-Anhörung“, taz vom 8.9.89

Ginge es nach Thomas Krumenacker, so müßte der rheinland -pfälzische Umweltminister Beth umgehend seinen Posten räumen, da er die politische Verantwortung für die mißglückte Anhörungsshow zum AKW Mühlheim-Kärlich trage; wenn dies nicht geschehe, so sei dies ausschließlich auf das politische Kurzzeitgedächtnis der Öffentlichkeit, welche sich schon morgen wieder anderen Themen zuwende, zu verdanken.

Nun ja, daß dem so ist, dürfte sich kaum bestreiten lassen

-nur sind die „politischen“ Schlußfolgerungen a la Krumenacker dafür zu einem guten Teil mitverantwortlich. Anstatt die Anhörungsfarce vor dem Hintergrund einer weiterhin ungebremsten staatlichen Repression zu interpretieren, wird das Problem „taz-typisch“ mit Hilfe einer scheinradikalen und politische Substanz verfehlenden Rücktrittsforderung individualisiert - so, als sei mit dem Austausch der Charaktermaske Beth irgendetwas erreicht.

Doch hier irrt Krumenacker. Noch in der Forderung nach Rücktritt eines politischen Vertreters der Atomlobby wird die grundsätzliche Neutralität des Staates zur Atomlobby mitgedacht - dies nicht zu erkennen, bleibt die Crux eines jeden, nicht zum Wesen der Erscheinungen durchdringenden, bürgerlichen Journalismus.

Heinz-Werner Ullrich, Trier