Arzneimittel-Sicherheit retten

■ Vera Rüdiger: „Saftladen“ Bundes-Gesundheitsamt entlasten und auf Trab bringen

Daß das Bundes-Gesundheitsamt (BGA) in Berlin ein „Saftladen“ und wegen seiner schleppenden Arbeit ins Gerede gekommen sei, stellte gestern Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger fest. Unter bremischer Federführung haben die sozialdemokratisch regierten („A“)-Länder einen ganzen Katalog von Änderungsanträgen und Ergänzungen erarbeitet, mit dem das Schlimmste von der bevorstehenden vierten Novelle des Arzneimittel-Gesetzes abgewendet werden soll.

Um das BGA zu entlasten, so hat sich die Bundesregierung erklärtermaßen gedacht, soll die Zulassungsprüfung für Medikamente künftig vereinfacht werden: Auch „neutrale“, externe Gutachter sollen nach dem Gesetzentwurf die Prüf -Arbeit des BAG machen dürfen, und bei Medikamenten, die in einem EG-Land schon eingeführt sind, wird eine gründliche Prüfung auf Unschädlichkeit und Qualität fast überflüssig.

Der Hintergrund: Seit 1978 muß jedes neue Medikament vor der Zulassung auf Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit

geprüft werden, bis 1990 sollten eigentlich auch alle Alt -Medikamente über diese Hürde. Diesen riesigen Berg Arbeit schiebt das BGA vor sich her - frühestens in zehn Jahren ist ein Ende abzusehen.

Um für die PatientInnen die Arzneimittel-Sicherheit weiter zu gewährleisten, beschloß der Bundes-Gesundheitsausschuß mit neun Stimmen, keiner Gegenstimme und zwei Enthaltungen: Jedes Pharma-Unternehmen soll künftig eine medizinisch -wissenschaftliche LeiterIn einstellen, die für die Arzneimittel-Information zuständig, persönlich verantwortlich und juristisch haftbar ist, wenn Schäden eintreten.

Sämtliche Naturheilmittel sollen zwar auf Sicherheit und Qualität, nicht aber mehr auf „therapeutische Wirksamkeit“ getestet werden; „dies ist nach der Schulmedizin ohnehin nicht möglich, und eine vereinfachte Zulassung würde dem BGA viel Arbeit sparen“, so Vera Rüdiger. Wenn nach erfolgter Zulassung - etwa anläßlich der Verlängerung nach fünf Jahren - Zweifel über Unschädlichkeit oder Wirksamkeit

eines Medikamentes auftreten, soll die Beweislast umgekehrt werden. Bislang muß das BGA dem Hersteller die Wirkungslosigkeit beweisen - ein fast unmögliches Unterfangen. Wenn umgekehrt bei begründeten Zweifeln der Hersteller die Qualität erneut beweisen müßte, „könnten Mittel mit dubioser Wirksamkeit schnell vom Markt verbannt werden“, so Rüdiger.

Zumindest ab 1992 sollen alle Medikamente, auch die noch nicht nach den neuen Verfahren zugelassenen, eine einheitliche Gebrauchsinformation bekommen. Ganz verboten gehört nach der Meinung des SPD-Gesundheits-Ressorts die Arzneimittelwerbung in Funk und Fernsehen: „Das ist keine Handelsware üblicher Art, für deren Absatz bedenkenlos geworden werden kann.“

Am Freitag wird die Novelle im Bundesrat abgestimmt und muß dann noch durch den Bundestag. Vera Rüdiger erwartet einen Kampf der einflußreichen Pharmahersteller, der Verbände und der Werbe-Industriellen, die massiven Druck auf die PolitikerInnen nehmen werden. S.P