Super: Weniger Tote pro Automobil

■ Darf mehr Verkehr auch mehr Tote kosten? / Rechenspiele der Tempo-100-Gegner mit Wagners Zahlen / Ihr Ziel: Gerichtlich das Avus-Tempolimit für „rechtswidrig“ erklären lassen / Fete im Landschaftsschutzgebiet, aber ohne Lautsprecher

Zur Pressekonferenz der Tempo-100-Gegner in der Avus -Nordkurve, führte der Weg über den LKW-Parkplatz, immer dem Schild „Fäkalieneinlaß“ hinterher, bis zum Restaurant im Mercedes-Turm. Erste Neuigkeit: Frank Seidel, BI-Chef, hat ein neues Bärtchen, Menjou statt Dreitage, der Opel Kadett GSE ist der gleiche geblieben, mit Katalysator. Er und sechs weitere Goldkettchenträger wollen hier das statistische Material des Verkehrssenators zur Begründung des Avus-Tempolimits auseinandernehmen, und zur heutigen großen Gegner-Fete (im Landschaftsschutzgebiet an der Havel) aufrufen.

Am Anfang ein deutschlandpolitisches Bekenntnis: „Ich begrüße alle DDR-Übersiedler!“ spricht Alexander Kowalski, Mathematiker und Motorradfahrer. „Seit sieben Jahren bewege ich Fahrzeuge durch diese Stadt - Null Punkte in Flensburg, ich bin in drei Sekunden von null auf hundert“. Das Hauptanliegen: Angemessen und flexibel statt stur und starr 100, d.h. Tempolimit taugt weder zur Hebung von Verkehrsmoral noch zur Senkung der Todesrate - denn: „Das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, steigt auch mit der Zahl der ... Fahrzeuge. Gibt man im Lotto zwei Tips ab, so hat zum Beispiel auch eine doppelte Gewinnchance“.

Kowalski: Erstens habe Verkehrsenator Wagner das Limit rechtswidrig begründet, seine Statistik sei falsch. Nur 14 Tage lang habe er die Raserei vor der Entscheidung beobachten lassen, zu kurz. Das Ergebnis (60 Prozent fuhren über 100, 20 Prozent schneller als 130) würdigt Kowalski nicht. Auch habe der Senator bei den Avus-Unfalldaten der letzten fünf Jahre gemogelt, weil er den steigenden Crash -Zahlen nicht das sich ständig erhöhende Verkehrsaufkommen gegenübergestellt habe. Gemein: denn wenn man Tote und Verletzte dazu in Beziehung setze, würden sie ja weniger und nicht mehr! Die absoluten Zahlen interessieren Kowalski weniger. Zweitens sei schließlich auch die vom Senator am Donnerstag vorgelegte erste Erfolgsbilanz des Tempolimits (Rückgang der Unfälle auf die Hälfte) Makulatur: der Beobachtungszeitraum sei zu kurz, außerdem würden die Autos zusätzlich durch eine Baustelle in der 6,4 Kilometer langen Teilstrecke gebremst. Das hier verhängte Tempo 80 / 60 verfälsche Wagners Zahlen. Klare Sache: Gängelung auf rechtswidriger Grundlage. Dagegen wolle man demnächst vors Verwaltungsgericht ziehen.

Auch vom Umweltsenat fühlen sich die Tempo-100-Gegner gegängelt. Denn der erlaubte zwar die Fete im Landschaftsschutzgebiet, aber aus Lärmschutzgründen nicht die Anwendung von Lautsprechern und elektrischen Verstärkern. Da half auch die gestrige Anrufung des Verwaltungsgerichts nichts: Der Aufritt einer Band muß ausfallen, die geplanten Reden von CDU- und FDP-Politikern sowie „Experten“ müssen per Flüstertüte gehalten werden.

Beim Verkehrssenator sieht man den Prozeßabsichten der BI gelassen entgegen. Zwar sei die Anmerkung der 100-Gegner, daß auch das Verkehrsaufkommen gestiegen sei, richtig. Doch sei ein Tempolimit auch schon beim absoluten Anstieg der Zahl von Toten und Verletzten sinnvoll, sagte gestern Wagner -Referent Steinke. Das Argument mit der Baustelle sei ein „guter Vorschlag“: „Wenn das tatsächlich so stark bremsen sollte, können wir ja an allen Gefahrenstellen einfach Baustellen einrichten.“

kotte