Verbotene ANC-Fahnen wehen in Johannesburg

Erneut Massenprotest in Südafrika / Tausende fordern Untersuchung der Polizeiübergriffe, Ende der Apartheid und Frieden in Südafrika / Kritischer weißer Polizist unterstützt Demonstration / Jubel in den Straßen von Johannesburg  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Mehr als 10.000 Menschen marschierten gestern friedlich durch das Zentrum von Johannesburg aus Protest gegen Polizeigewalt in den letzten Wochen. Angeführt von Pastor Frank Chikane, dem Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates, endete der Marsch vor der berüchtigten Polizeistation von Johannesburg, John Vorster Square, wo der Polizei ein Brief an den Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, übergeben wurde. In dem Brief fordert die Anti -Apartheid-Opposition eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität. Außerdem wird darin zur Abschaffung der Apartheid aufgerufen. Die Polizei ließ den Demonstrationszug zu und war kaum zu sehen.

Erstmals meldete sich gestern auch ein kritischer weißer Polizist zu Worte. „Polizei gegen Polizeiübergriffe“, verkündete das Plakat, das der 27jährige Phillip Botha hielt. Er ist Polizeireservist und muß einen Monat im Jahr aktiven Dienst leisten. „Die Polizei braucht besondere Vollmachten“, sagte er. „Aber sie sollte sie nicht mißbrauchen. Alle Südafrikaner sollten zusammenkommen und gemeinsam ein neues Land bauen.“

„Wir haben die Gewalt satt“, sagte Bischof Brian Buchanan, der anglikanische Bischof von Johannesburg, in einem Gottesdienst in der anglikanischen Kathedrale vor Beginn des Marsches. „Wir weigern uns, von einer Minderheit herumgeschoben zu werden, um eine gottlose und gewalttätige Ideologie der Apartheid zu unterstützen.“ Winnie Mandela, Frau des inhaftierten ANC-Führers Nelson Mandela, als auch andere prominente Apartheid-GegnerInnen und führende AkademikerInnen der Johannesburger Witwatersrand Universität waren in der Kathedrale. Der friedliche Marsch folgte auf einen ähnlichen Protest in Kapstadt am Mittwoch. Die Opposition testet damit die Aussage des Präsidenten De Klerk Anfang der Woche, daß die Regierung nichts gegen friedliche Demonstrationen habe. Die verbotene Fahnen des verbotenen ANC und der verbotenen südafrikanischen kommunistischen Partei wurden gestern in den Straßen gehißt. Auf dem Rückweg liefen die Demonstranten durch den blockierten Verkehr und riefen allen Autofahrern „Weg mit der Apartheid“ zu. Hunderte von Autos erwiderten den Gruß durch Hupen. Sogar schwarze Polizisten wurden von den Demonstranten begrüßt, einige riefen sie zum Kampf gegen die Ungerechtigkeit auf. „Geh zurück ins Geschäft“, herrschte ein weißer Mann seinen schwarzen Angestellten an. Doch der Arbeiter lachte und hielt seinem Boss eine kleines Plakat entgegen mit der Aufschrift: „Frieden in Südafrika“.