Hilfe, meine Schüler sind rechts!

Mit einem Symposion über „Rechtsextremismus und Neofaschismus“ lud die GEW LehrerInnen zur Diskussion über den Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen / Rezepte hat niemand parat / Antifaschistischer Unterricht bloße Selbstvergewisserung?  ■  Aus Köln Bettina Markmeyer

Am frühen Nachmittag hielt es ein Hauptschullehrer nicht mehr aus und stand auf. Er wolle jetzt „endlich“ erfahren, was er denn nun mit den in Bomberjacken und Schnürstiefeln auflaufenden Klassenkameraden“ machen solle, die „erst neulich wieder kollektiv den Hitlergruß geübt“ hätten. „Sie stören und provozieren mit ihren rechtsradikalen Sprüchen, wo sie nur können.“ Schlimmer aber sei, daß er selbst hilflos dastehe: „Wie kann ich die noch von ihrem Weg abbringen?“

Der Hauptschullehrer blieb die Ausnahme. Den meisten der über 200 LehrerInnen, die am Donnerstag der Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in die Kölner Fachhochschule zu einem Symposion über Rechtsextremismus bei Jugendlichen gefolgt waren, war klar, daß sie keine Handlungsanleitungen zu erwarten hatten. Und auch zum Austausch unter KollegInnen blieb wenig Zeit.

Dennoch nehme er „gute Anregungen“ mit nach Hause, resümierte ein Marburger Referendar und meinte, stellvertretend für viele, daß besonders die Analysen des Bielefelder Pädagogik-Professors Wilhelm Heitmeyer ihm weitergeholfen hätten.

„Wir haben, solange es sich um Jugendliche handelt, den Begriff 'Neonazi‘ gestrichen“, brachte der Pädagoge und Jugendsoziologe Heitmeyer seine Arbeitsweise auf den Punkt. Etikettierungen rechter SchülerInnen als „Neonazis“ hätten die „fatale Wirkung“, daß die so Etikettierten sich in der Isolation erst recht zu ihrer Sache bekennen würden.

Einen rechten Schüler erst „mit dem Rücken an die Wand“ zu drücken, um ihn dann mit „Gegeninformationen“ zu überhäufen, nütze gar nichts. Daß Kultusministerien jetzt per Erlaß Unterrichtseinheiten zu Nationalsozialismus und Neofaschismus auf die Stundenpläne setzen, beurteilte Heitmeyer eher als kontraproduktiv.

Die von Schönhuber und Konsorten faszinierten Jugendlichen brauchten vielmehr Hilfe, um ihre eigene, oft desolate Lage zu verstehen. Heitmeyer: „Die Ursachen für den Rechtsextremismus liegen nicht am Rand unserer Gesellschaft, sondern in ihrem Zentrum.“ Eine „bis an die Grenzen der sozialen Belastbarkeit gebrachte Modernisierungsgschwindigkeit“ und eine zunehmende Individualisierung, für die niemand weniger verantwortlich sei als die Jugendlichen, mache gerade diese zu ihren Opfern. Zur Perspektivlosigkeit im Berufsleben kämen Verunsicherungen und fehlende Verbindlichkeiten im privaten und sozialen Bereich. Keine Partei, auch die Grünen nicht, könne Jugendlichen die Frage beantworten, wozu die „Flexibilisierung“ genannte Zurichtung der Menschen auf ökonomische Zwänge denn eigentlich dienen solle. Nicht nur die Angst, nie den Einstieg in die brutale, supereffiziente Wirtschaftsordnung zu finden, treibe Jugendliche um, sondern dazu das Wissen, das all das möglicherweise zu nichts anderem führe als zu einer gigantischen Zerstörung der Lebensgrundlagen. Da liege der Griff nach den Scheinsicherheiten der Rechten und die Suche nach identifizierbaren Sündenböcken nahe.

Gerade linke PädagogInnen und JugendarbeiterInnen, die ihre eigenen Ängste - legitim - in der Friedens- oder Ökobewegung zum Ausdruck gebracht haben, müßten lernen, die Ängste der Jugendlichen auch dann ernst zu nehmen, wenn diese sie über rechtsradikale Aktivitäten zum Ausdruck bringen. Die Auseinandersetzung mit rechtsradikal orientierten Jugendlichen erfordere jedoch andere Fähigkeiten als die Konfrontation mit Erwachsenen und dem organisierten rechten Spektrum.

Peter Dudek von der Universität Frankfurt relativierte den Einfluß antifaschistischen Engagements in der Schule. LehrerInnen könnten nicht die Folgen einer Politik ausbügeln, die den Rechtsradikalismus erst groß gemacht haben. Allzuoft habe die antifaschistische Pädagogik gerade linker Lehrer eher der Selbstvergewisserung der Pädagogen gedient, die SchülerInnen jedoch keineswegs gegen rechtsextremistische Paradigmen immunisiert. Und daß jetzt LehrerInnen wie aufgeschreckte Hühner allerorten über rechtsextreme Jugendliche diskutieren, könne nicht darüber hinwegtäuschen, „daß es eine brauchbare Arbeit mit rechtsextremen Jugendlichen noch nicht gibt“.

Wie groß die Diskrepanz zwischen ersten Konzepten und ihrer Umsetzung derzeit noch ist, zeigte auch die spöttische Frage eines Bonner Zuhörers auf eine Empfehlung des Historikers und DGB-Bundesvorstandes Wolfgang Uellenber-von Dawen. Der hatte empfohlen, den offensichtlichen Gemeinschaftsbedürfnissen rechts orientierte Jugendlicher mit der Betonung gewerkschaftlichen Zusammenhaltes zu begegnen. Wie man denn, fragte der Zuhörer, den Jugendlichen, die Gewerkschaften als eine Riesenbürokratie erlebten, gerade dort „eine neue Heimat“ schaffen solle.