Futureworld und Öko-Tuning

■ Öko-Autos, die diesen Namen auch verdienen, gibt es auf der Frankfurter Automobil-Ausstellung nicht zu sehen

In der hessischen Provinz hat man die Zeichen der Zeit zuerst erkannt: Die Adam Opel AG in Rüsselsheim - Tochter des US-Konzerns General Motors - bietet als erste europäische Automobilfirma den geregelten Dreiwege -Katalysator in allen Fahrzeugen serienmäßig an. Der smarte Opel-Vorstandsboß Hughs von der „neuen Managergeneration“ (Opel) hat seinem Konzern mit der „grünen Linie“ einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zumindest auf dem deutschen Markt gesichert. „Öko-Tunig“ ist „in“ auf der IAA 1989 in Frankfurt: „What a wonderful world.“

Doch so ganz sicher sind sich die Opel-Werbestrategen vom Untermain nicht, ob ihre Zuwachsraten in den letzten Monaten tatsächlich auf der Katalysatortechnik fußen. Am „Tag der Presse“ auf der IAA jedenfalls ließ Opel zur Sicherheit die US-Open-Siegerin Steffi Graf einfliegen - zur Präsentation des neuen Modells „Calibra“, das Mitte des nächsten Jahres auf den Markt kommen soll. Und „uns Steffi“ stahl der weinroten Blechkarosse am Donnerstag glatt die Show. Zwischen den Journalistentrauben um die blonde Brühlerin war der „Calibra“, den Steffi Graf am liebsten gleich mitgenommen hätte, kaum zu erkennen. Die „Gräfin“ bekam vom Opel-Chefdesigner dann ein Modell - und die gierige Motorpresse ein exzellentes Menü am Opel-Stand serviert: „What a wonderful world.“

Ob der PR-Erfolge der Rüsselsheimer knirschten die Wolfsburger am leeren Messestand laut mit den Zähnen. VW und Audi seien die ersten gewesen, die schadstoffarme Motoren in Serie produziert hätten, meinte Vorstandsvorsitzender Hahn auf der obligatorischen Pressekonferenz zur IAA-Eröffnung. Doch den abgasfreien Motor gibt's bei VW/Audi noch immer nur auf Wunsch der Kundschaft. Im ersten Stock des VW/Audi -Standes präsentierte der Konzern der Presse und den Fachbesuchern gar eine „Umweltausstellung“ und einen „Öko -Polo“ (Forschungsprojekt), der bei 120 Stundenkilometern nur 5,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer schluckt. Die Dieselschadstoffe werden mit einem Rußfilter mit Eisendioxid -Regeneratoren fast vollständig weggefiltert. Im nächsten Jahr will die VAG einen Katalysatordiesel in Serie produzieren - Öko-Auto ist also machbar, Herr Nachbar.

Doch der Nachbar von VW/Audi auf der IAA, der britische Nobelkarossenhersteller Jaguar, hat noch nichts gehört vom schadstoffarmen Auto. Dafür bauen die Männer und Frauen von der Insel die „schönsten Autos“ der ganzen Welt. Und in gediegenen Ledersofas, beleuchtet von sündhaft teuren Tiffany-Lampen, schlürften die totschicken Mitarbeiterinnen von Jaguar mit den Journalisten die prickelnden Perlen der Witwe „Cliquot“ aus langstieligen Gläsern - damit die Berichte süffisant genug ausfallen: „What a wonderful world.“

Mit Flüssigem sparte auch der schwedische Konzern Volvo nicht. Abgesehen vom glasklaren nordischen Vodka, der auf der Pressetribüne in Strömen floß und zum norwegischen Lachs die Kehlen spülte, spülten die Männer aus dem Land der Elche und des Knäckebrots die drei „Stars“ ihrer Produktpalette pausenlos mit Waschwasser ab - um die Langlebigkeit der Autolackierung zu demonstrieren. Auch eine Demonstration von ökologischem Bewußtsein. BMW in unmittelbarer Nachbarschaft der Skandinavier will dagegen „führend in der Umwelttechnologie“ sein und verkauft deshalb sein katalysatorbestücktes neuestes Modell (511i) für schlappe 135.000 Mark an den umweltbewußten Raser. Daimler-Benz präsentiert auf der IAA einen neuen Dieselmotor mit einer Abgastechnik, bei der 40 Prozent der Rußpartikel weggefiltert werden sollen. Doch auch für den konservativen Manager der neuen deutschen Schule hält der bundesdeutsche Nobelkonzern eine Überraschung bereit: „Komfortabel kommunizieren“ heißt die Losung für die „S-Klasse“. Im Fond findet der gestreßte Geschäftsmann Telefon, Telefax und einen Personal Computer - falls er zuvor einen Chauffeur gefunden hat: „What a wonderful Managerworld.“

So richtige „Futureworld“ kommt dagegen nach wie vor aus Japan - katalysatorfrei und mit 150 PS. Der eiförmige Nissan UV-X verfügt über „Viscosperre und begrenzten Schlupf“ und computergesteuerte Instrumente, projiziert per Videokamera das rückwärtige Verkehrsgeschehen auf den Innenspiegel und ballert allen Insassen über digitale Lautsprecher in allen Sitzen Sound aus dem computergesteuerten CD-Player um die Ohren: „Die neue Dimension des Fahrens“ (Nissan). Doch selbst die Futuristen aus Tokio schwimmen mit auf der Öko -Welle. Der Micra „Super S“ - ein Sportwagen - wird nur mit geregeltem Dreiwege-Katalysator und elektronischem Fallstromvergaser verkauft. Dachspoiler, Seitenschweller und Kotflügelverbreiterung sollen „sportlich-dynamisches Fahren“ in einem „umweltfreundlichen Auto“ garantieren - eine „Weltpremiere“ (Nissan).

Die richtigen Öko-Autos werden allerdings erst am vorletzten Tag der IAA in Frankfurt zu sehen sein. Am 23. September wird der hessische Wirtschaftsminister Alfred Schmidt die karierte Startflagge für den amtierenden Weltmeister im Solarmobilrennen, Andreas Schneider, und 79 weitere Solarmobilpiloten senken. Die zweitägige Ralley führt durch ganz Südhessen zurück nach Frankfurt - falls die Sonne scheint: „What a wonderful world.“

Klaus-Peter Klingelschmitt