SPRECHDURCHFALL

■ Lisa Fitz mit „Geld macht geil“ im BKA

Ich hatte mich so auf Lisa Fitz gefreut. Ihre kabarettistische Familientradition hat sie verlassen und ist jetzt Rock-Lady geworden, las ich. Und dann diese rotschillernde Dame mit „Nerz“ auf der Bühne, die sich „faszinierend“ findet und denkt, in ihrem Cocktail-Dirndl -Combinat zu 1.600 Mark habe sie alle ausgestochen. Ja, ab drei Mille könne man reden, wenn man „Sprechdurchfall“ hat. Hat sie - ohne Zweifel! Ihr Computer hat 12.000 Mark gekostet und ihr ein Programm ausgerechnet „für fortgeschrittene Sozialmasochisten, für Zahnärzte mit Problembewußtsein“. Das Publikum bestand wohl aus Zahnärzten und freute sich fürchterlich.

Ja, das politische Umfeld sei „so schwarz geworden, daß es schon den Raben graust“. Mit „Terroristen-Araberfeudel“ können man dagegen singen. „Ich setz‘ kein Kind in diese Welt aus Stahlbeton“ oder aber romantisch, frau reite durch den eigenen Wald-Wiesen-Horizont, gedenke der Dritten Welt und dann ab ins Solarium. Mehr Geld für die Abmagerung ausgeben als für „Brot für die Welt“.

Heute gibt es Yuppie, Hippie, Püppi und Pappi, und Super -Mutti denkt nicht mehr, was Vati denkt, sondern was die Werbung sagt. Lisa Fitz hat ihren Hund als Wachhund von der Steuer abgesetzt, und Marlboro wollte Nebensponsor für die Show werden, doch sie wollte nicht mit Pferd auf die Bühne... So spiegelt sie sich selbst in einem fort. Definiert, was eine Kabarettistin heute sei und solle, und verspricht Publikumsbeschimpfungen. Alle lachen. „Ich bin doch eure Lisa Fitz. Mir geht's nicht ums Geld. Mir geht's um Engagement. Das kommt von Gage.“ Dann schüttelt sie fürs Foto den Bürgern die Hand. Die Persiflage der Persiflage. „Paßt nur auf! Euch mach ich rhetorisch fertig“, sagt sie. „Die Oberflächlichkeit ist Inhalt geworden, Inhaltlichkeit durch Fönschnitt...“, “...ich will nicht mehr wissen, was wahr ist“, doch Lisa Fitz findet viele, viele sprachakrobatische Kombinationen von „Spermienstrom“, „darmtraktnah“ über „Liebe ist a wahre Sucht, die eifert“, zur „Barbarei auf BTX“, dann jodelt sie ein bißchen mit der Klampfe und löst die Spannung immer wieder selbst auf. „Der Fortschritt heißt McDonald's, das Glück heißt Einweg-Love. Ich fühl‘ mich so - also eigentlich hohl.“ Sie zeigt ein wenig Stimme, wovon sie offensichtlich mehr hat, und etwas dumpf bringt sie die Leute zum Mitsingen. Vielleicht gehört es dazu?

Zum zweiten Teil hin löst sie sich von der allgemeinen Politik und kommt zum Privaten, Persönlichen, weiblich -männlich-Familiären. Da wird's gut. Über Sex spricht sie viel und souverän, schöpft die Freude aus dem Vollen, die Moral hört auf. Im Zaubermantel liest sie aus dem Erotik -Katalog vor, was es da nicht alles gibt. In Sachen Ehemann ist sie für: „Lieber zuhau'n als zuschau'n“ und hat einen Blutrausch hinter sich, „obwohl ich ja betrunkene Männer nicht gern schlage“. Dafür gibt es eine Ausnüchterungszelle. In jedem Fall kommt sie gegen ihn an. Weniger an kommt sie gegen „die Fettschicht am weiblichen Intellekt“: „Wir sind nicht das starke Geschlecht, sondern das lasche“, nämlich zum Beispiel ihre Nachbarin, die einen Haarspray-freien Tag im Monat einlegt, wegen dem Ozonloch. Deshalb auch ist Gott ein Heimatvertriebener, selbst der Teufel sei völlig verstört. Dem New Age meditiert Scarlett O'Hara entgegen, ihr zur Seite Rambo III. „Gewalt ist so geil, daß Mann keine Lösung finden will.“

Im Erotischen hat sie den Leuten besonders gut ins Gesicht geschaut, das Maul der Sex-Shop-Verkäuferin ist völlig unüberhörbar. Lisa analytisch: „Was dem Hitler seine Juden, war der Kirche die Frau.“ Beflissen tröstet sie: „Wir haben uns unser ganzes Leben lang umsonst geschämt“, und erklärt, wie es ist, mit dem Mann als Geist und der Frau als Materie, „warum, weiß keiner“, und wie sie ihn also immer runterzieht in den Schlamm, tumbes Urvieh, das sie ist, ihm die geistigen Höhen mit dem Haushalt vereitelt, so wird er schließlich zum geistig Behinderten. Die Ursache liegt tiefer: Heute habe sich die Frau von der Feministin zur Familistin entwickelt, zum Mama-Boß. Das Rama-Drama hebt an, frischwärts happy, und Lisa Fitz, Balladensängerin, bringt die Details vom Frühstückstisch perfekt. Sie ist eine ausgezeichnete Schauspielerin. Die klein-familiäre Groß-Not ist das Terrain, da hilft vielleicht ein Face-lifting. Drei Mal war ihre Freundin dort, von Visage „Grand Canyon“ über „Joan Collins, amerikanischer Lampenschirm“ - die Haut etwas straff angezogen zum chronisch offnen Sexy-Mund. Die Grimassen von Lisa Fitz sind zum Schreien, ein grotesker Superlativ. „Diese Begeisterung sollte man sexuell nutzen, aber ich schaff euch nicht alle“, so Lisa Fitz zum Publikum.

„Irgendwie denkt man, wenn man die so sieht, wo ist denn meine Power...“, sagt eine Frau in der Pause zu ihrer Freundin. Doch Lisa Fitz hätte noch mehr Power, glaube ich, wenn sie weniger Antithese machen und sich dafür mehr im Spiel verlieren würde. Bei aller Verarschung anderer entwickelt sie doch zu wenig eigene Stimmung. Auch musikalisch ist sie gut, ob fetzig oder ein ruhig -sehnsüchtiges Lied „a Minute mit Dir“, es kommt ehrlich, ernst, warm. Lisa Fitz ist eine kluge Frau, die übers Leben Bescheid weiß, daß sie „'nen Gorilla ohne Machtanspruch“ will, Hauptsache, er kann „richtig nageln“ - so könnte sie ruhig die Pferde mit sich durchgehen lassen. Sie bleibt schon oben(auf).

Sophia Ferdinand