Polizei-Panne in Brüssel: Bombenleger ging leer aus

■ Hertie-Konzern wurde seit Monaten mit Bomben-Terror um 5,2 Millionen erpreßt / Sprachprobleme vermasselten die Geldübergabe / Die Täter sind Profis

Weil drei Berliner Polizeibeamten die Brüsseler Bahnhöfe Midi und Central nicht unterscheiden konnten, mußten sie mit - angeblich - 5,2 Millionen Mark im Samsonite-Koffer von Brüssel wieder nach Berlin zurückreisen. Die respektable Summe sollten die Polizisten auf dem Weg nach Brüssel jenen Tätern zukommen lassen, die seit Mitte März den Kaufhauskonzern Hertie erpressen. Die Täter hatten die Beamten zuvor in einer Art Schnitzeljagd am Freitag erst nach Köln und von dort nach Brüssel dirigiert. Nach Anweisung des Täters sollten die Beamten für den Fall, daß auf der Strecke kein Funkkontakt möglich sei, an der Bahnstation Brüssel-Midi (Süd) aussteigen. Midi heißt Mitte, und die liegt im Zentrum, dachten sich die Beamten wohl und stiegen eine Station zu früh an der Station „Central“ aus. Während die Polizisten ratlos, aber noch im Besitz des Koffers auf dem Bahnhof standen, löste die belgische Polizei irrtümlich jenen Plan aus, mit dem nach der Geldübergabe der Erpresser gefaßt werden sollte. Tausende von belgischen Polizisten sperrten Straßen und Bahnhöfe ab und kontrollierten jeden Kofferträger. „Die ganze Aktion ging dann im Chaos unter.“ Darüber berichteten sofort belgische Zeitungen - und zwangen so Berlins Polizeispitze zur Flucht nach vorne, in die Öffentlichkeit.

Die Summe sollte an jene Täter gehen, die zwischen März und Juli dieses Jahres fünf gefährliche TNT-Sprengsätze in Berliner Filialen des Hertie-Konzerns gelegt hatten. Die erste Bombe explodierte am 22. März im KaDeWe und richtete beachtlichen Sachschaden an. Eine zweite Bombe detonierte dann einige Wochen später um 10 Uhr morgens direkt neben einem Kleinkind in der Spielwarenabteilung von Hertie in Neukölln.

Pannen gab es aber nicht nur wegen der falschen Bahnstation. Die Beamten waren mit einem Funkgerät ausgerüstet, mit denen die Täter Kontakt zu ihnen aufnehmen konnten. Da die Bahnstationen in Brüssel alle unter der Erde liegen, „muß bezweifelt werden, ob ein Funkkontakt überhaupt möglich gewesen wäre“, so die Polizei. Polizeipräsident Schertz: „Wir haben es hier mit eiskalten Profis zu tun.“ Dirigiert wurde die Polizei vom Erpresser über Kleinanzeigen in der 'BZ‘.

Die Brüsseler Panne ist die zweite große Schlappe der Berliner Polizei bei Kaufhaus-Erpressungen. Nach einer Bombenexplosion im KaDeWe forderte letztes Jahr ein immer noch Unbekannter von dem Nobelkaufhaus ein halbe Million und konnte bei der Übergabe trotz Polizei-Großeinsatz ungehindert entkommen.

Als die Presse Anfang August bereits darüber spekulierte, daß hinter der neuen Anschlagserie eine Erpressung stecken könnte, bat Polizeipräsident Schertz die Chefredakteure der Berliner Medien darum, über diesen Fall nicht zu berichten weil Menschenleben in Gefahr seien.

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