V O R L A U F Quälender Absturz

(achtfeuer, ARD, 23 Uhr) Ikarus kann nicht abstürzen, weil er niemals starten wird. Genauer gesagt, niemand läßt ihn fliegen, alle helfen mit Kräften, ihn am Boden zu halten. Wie tief ein junger Mann fallen kann, obwohl er den sicheren Grund nie verließ, zeigt das Leben von Albert Bronswick, eine Geschichte über das unaufhaltsame Scheitern eines Menschen, der noch Träume hat.

Albert ist Hauptschulabgänger, ein guter zwar, aber eben ein Hauptschüler mit ordentlichem Abschluß. Vielleicht wollte er einmal Pilot werden, doch dieser Illusion mochte er sich nicht hingeben, weil sie allzu aussichtslos erschien. Also Flugmechaniker. Ein bodenständiger Job, der immer noch jene Spur Abenteuer enthält, die mit der Fliegerei verbunden wird. Ein Einstieg in seinen erhofften Beruf bleibt ihm jedoch verwehrt, statt dessen soll er Autoverkäufer werden. Albert sperrt sich gegen diese Ausbildung, schwänzt, heuert heimlich bei einer Kolonne an, die nachts Flugzeuge reinigt, fliegt dort bald wieder raus, weil er zu jung für Nachtarbeit ist.

Das Scheitern entwickelt sich langsam, so langatmig, wie es hier erzählt wird. Regisseur Hans Eberhard Quelle will uns zeigen, wie ein Junge - ringsum von erstarrten Strukturen umgeben - seinen Weg sucht und nicht findet. Aber Quelles Erzählmuster ist ebenso erstarrt in einer linearen Abfolge von negativen Ereignissen, die konsequent zu nur einem möglichen Ende führen. Je verzweifelter sich Alberts Lage zuspitzt, desto klarer zeichnet sich ab, daß wir es hier mit einem jener Filme zu tun haben, die sich mit einem dumpfen Schlag in die Magengegend verabschieden. Zu wissen, was auf dem Bildschirm als nächstes passiert, kann spannend sein, wenn der Regisseur mit diesen Ahnungen spielt und sie überraschend bricht. Hier dagegen hat jemand ein Ziel vor Augen, das er verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob die Zuschauer nach zwei Stunden vielleicht gähnend auf der Strecke bleiben.

Schließlich steht Albert, ganz Ikarus, auf einem Gerüst und läßt sich fallen. Jetzt darf er frei sein, einmal getragen nur von seinen Hoffnungen und seinen Wünschen. Und das Ärgerliche ist, daß sich der Zuschauer ebenfalls befreit fühlt und nicht betroffen über den Fatalismus der Verhältnisse. Mit der Eintönigkeit der Handlung hat sich das Gegenteil von dem eingestellt, was Hans Eberhard Quelle bezweckt haben mag. Überdruß statt Bestürzung.

Christof Boy