Eiertanz um Ausländerwahlrecht

Die Schwierigkeiten der SPD mit einer Selbstverständlichkeit  ■ K O M M E N T A R E

Die Genossen bekleckern sich wahrlich nicht mit Ruhm in Sachen Ausländerpolitik. Der Entwurf zum kommunalen Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein ist so hanebüchen, daß man ihn fast unter der Rubrik „Ein Schritt vor, fünf zurück“ abhaken müßte. In Nordrhein-Westfalen neigen zumindest einige Sozialdemokraten das Haupt vor dem mangelnden „Reformwillen“ der (deutschen) Wähler, den man nicht überstrapazieren dürfe. Und in Berlin versucht man, den Karlsruher Richtern des Bundesverfassungsgerichts von den Lippen abzulesen, wenn die am 11. Oktober entscheiden. Und zwar nicht über das kommunale Ausländerwahlrecht als solches, sondern darüber, ob bei den nächsten Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein knapp 7.000 Iren, Skandinavier, Schweizer und andere „Edelausländer“ schon mal wählen dürfen, auch wenn das hohe Gericht noch nicht die Verfassungsmäßigkeit dieses Aktes überprüft hat. Welche Erhellungen sich die Berliner SPD von diesem Tag verspricht, bleibt vorerst ihr Geheimnis.

Dabei macht es der Berliner SPD auch noch die Opposition leicht, die sich mit Spionageskandalen in die Defensive manövriert hat. Vom desolaten Zustand einer zerlummerten Partei einmal abgesehen, zögert die Berliner CDU, zu schnell mit den „Republikanern“ in einem Atemzug genannt zu werden. Noch würde die Bevölkerung eine „Anti-Ausländer„-Koalition zwischen CDU und REPs nicht akzeptieren, das wissen auch die Rechten. Das kann sich ändern, vorausgesetzt, den „Republikanern“ gelingt das Klassenziel der parlamentarischen Salonfähigkeit. Wenn man schon pragmatisch -taktisch Politik machen will, sollte man das mit einbeziehen und sich mit dem Gesetzentwurf zum Ausländerwahlrecht beeilen.

Bei aller vorauseilenden Rücksichtnahme auf Verfassungsrichter, „Republikaner“, die CDU, auf die Bevölkerung (zu der auch SPD-Mitglieder gehören) droht die SPD für ein Argument jede Sensibilität zu verlieren: daß die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts eine banale Selbstverständlichkeit ist, deren politische Auswirkungen zwar nicht unbedeutsam sind, aber in keinem Verhältnis zu dieser aufgebauschten Debatte stehen. Was ist denn schon Großartiges daran, Menschen, die seit Jahren hier leben und arbeiten, gnädigst an Entscheidungen über den Standort einer Verkehrsampel teilnehmen zu lassen?

Ärgerlich ist an diesem Eiertanz vor allem, wie die SPD das eigene Zaudern mit der fehlenden „gesellschaftlichen Akzeptanz“ für das Ausländerwahlrecht begründet. Dieser Gesellschaft mangelt es an Akzeptanz für eine ganze Menge Grundrechte - das müßte eigentlich auch die SPD wissen und entsprechend handeln.

Andrea Böhm