Ungarn bewegt sich weiter

■ Politbüro-Mitglied Pozsgay wurde Vorsitzender der „Bewegung für ein demokratisches Ungarn“ / Abschaffung der „Diktatur des Sozialismus“ gefordert

Budapest/Berlin (afp/ap/taz) - Drei Wochen vor dem Parteitag der (noch) regierenden Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei fand in der Budapester Universität der Gründungskongreß der „Bewegung für ein demokratisches Ungarn“ statt. 600 Anwesenden wählten Imre Pozsgay zum Vorsitzenden. Der Beitritt zur Bewegung soll jedem offenstehen, außer denen, die, wie Pozsgay sagte, „die Erde immer noch für eine Scheibe halten“.

Auf der Versammlung sah man allerdings nur Mitglieder der Partei-Reformzirkel. Die Gründungserklärung der Bewegung spricht von der „notwendigen friedlichen Auflösung des diktatorischen Systems“. Jeder Versuch, dieses System zu reparieren, müßte zwangsläufig in einer nationalen Katastrophe münden. Der aus der Partei ausgeschlossene Juraprofessor Bihary lehnte unter Beifall „Bolschewismus“ und „Diktatur des Sozialismus“ ab. Man müsse die überkommenen Strukturen abschaffen und „die Machtfrage stellen“.

Bei einer Nachwahl in Zalaegerszeg hat der Kandidat des oppositionellen Bündnisses 59,1 Prozent erhalten, der Kandidat der Reformkreise innerhalb der KP 31,7 Prozent. Damit hat die Opposition bereits vier Sitze im Parlament. Im Vorfeld des Parteitags operieren die verschiedenen stalinistischen Gruppen mit Gerüchten wie der bald notwendigen Ausgabe von Lebensmittelkarten oder der bevorstehenden Schließung der Grenzen. Sie sind aber zu schwach, um eine offene Konfrontation mit den verschiedenen Reformflügeln zu wagen.

cs