SPD/AL: Rangelei um Ausländerwahlgesetz

Berliner Gesetzentwurf für kommunales Wahlrecht für AusländerInnen steht / Jetzt muß Regierungskoalition zustimmen / AL: Entscheidung fällt am Mittwoch / Hamburgs Vizebürgermeister Ingo von Münch (FDP) kritisiert Zaudern der SPD in NRW und Berlin  ■  Von Andrea Böhm

Berlin (taz) - Wenig Verständis hat Hamburgs zweiter Bürgermeister Ingo von Münch (FDP) für die Verzögerungstendenzen der SPD in Nordrhein-Westfalen und Berlin in Sachen kommunales Ausländerwahlrecht geäußert. Er halte das kommunale Ausländerwahlrecht für längst überfällig und vermöge nicht einzusehen, „warum der Boden jetzt nicht dafür bereitet sein soll, in einigen Jahren aber doch“, sagte er in einem Interview für die taz (Wortlaut auf S. 8).

In Berlin haben sich am Freitag immerhin die RechtsexpertInnen der Koalitionsparteien auf einen gemeinsamen Gesetzestext geeinigt, dem nun beide Fraktionen zustimmen müssen. Demnach sollen in Zukunft all die AusländerInnen bei den Bezirksverordnetenwahlen ihre Stimme abgeben dürfen, die im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sind. Die SPD verlangte ursprünglich als Voraussetzung mindestens fünf Jahre „rechtmäßigen Aufenthalt“.

Die „Rechtmäßigkeit“ wollten einige Sozialdemokraten über eine Änderung des Meldegesetzes garantiert wissen: Beim Landeseinwohneramt sollten alle aufenthaltsrechtlichen Daten der AusländerInnen gespeichert werden, die in Zukunft über Kindergärten und Verkehrsampeln mitentscheiden möchten. Dieser Vorschlag landete aus Datenschutzgründen im Papierkorb. Dem Entwurf müssen nun beide Fraktionen zustimmen.

Nach wie vor verharren die Berliner Sozialdemokraten gegen den Willen der AL auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Am 11. Oktober soll dort über eine einstweilige Anordnung der Bonner CDU/CSU-Fraktion zum kommunalen Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein befunden werden. Beurteilt wird aber lediglich, ob AusländerInnen in Schleswig-Holstein bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 1990 schon ihren Stimmzettel abgeben dürfen, obwohl über die Verfassungsklage noch nicht entschieden ist. Warum man bei den Berliner Sozialdemokraten ausgerechnet diese Entscheidung abwarten will, ist nur schwer nachvollziehbar. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat ein Ausländerwahlrecht fabriziert, von dem gerade mal 6.732 Wahlberechtigte profitieren könnten - nämlich Iren, Norweger, Dänen. Schweden Niederländer oder Schweizer. Türken, Griechen oder Jugoslawen bleiben ausgeschlossen. Das Engholmsche Wahlrecht könnte also durchaus gekippt werden, meinen Juristen, weil nämlich der verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz mißachtet wird.

Offenbar um die AL zu beruhigen, hat SPD -Fraktionsgeschäftsführer Staffelt angekündigt, am kommenden Mittwoch das Ergebnis der Juristenrunde als gemeinsamen Gesetzentwurf zu präsentieren. Ob die Alternativen sich beruhigen lassen, wird sich noch am selben Tag zeigen. Abends steht nämlich das kommunale Ausländerwahlrecht auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung der AL, die in dieser Sache auf die SPD „verdammt schlecht“ zu sprechen ist.