„Laßt bloß die Politik aus der Kirche raus!“

■ taz-Gespräch mit vier Bremer Frauen der „Aktion Bundesschluß“, die auf Einladung des südafrikanischen Kirchenrates nach Südafrika reisten

Kristina Bulling, Christine Konukiewitz, Rita Korhammer und Ursula Prahm reisten vier Wochen nach Südafrika, um dort das Partnerprojekt „Matiwane's Kop“ zu besuchen und Eindrücke im Land zu sammeln. Inzwischen machen 16 Bremer Kirchengemeinden, rund 100 Einzelpersonen und andere Organisationen mit bei der „Aktion Bundesschluß“. Er geht zurück auf eine Initiative des Südafrikanischen Kirchenrates, einen Bund zu schließen für eine Region, Natal, die von Zwangsumsiedlung bedroht ist.

taz: Warum sind Sie als vier Frauen nach Südafrika gefahren?

Rita Korhammer: Wir gehören zum Teil seit Jahren zur Bremer Gruppe „Frauen gegen Apartheid“ und haben uns innerhalb der „Aktion Bundesschluß“ zusammengefunden.

Eine ganze Reihe Prominenz der Evangelischen Kirche Deutschlands ist ja vom südafrikanischen Regime zu Reisen und Urlauben ausgehalten worden - wer hat Ihre Reise bezahlt?

Ursula Prahm: Wir haben gesagt, wir können die Reise selbst finan

zieren. Die Aktion Bundesschluß hat dann entschieden, daß jede 1.000 Mark dazubekommt.

Sind Sie mit christlicher Botschaft hingefahren oder aus politischen Gründen?

Korhammer: Ich kann das nicht auseinanderkriegen.

Kristina Bulling: Für mich stand im Vordergrund, Informationen zu sammeln, welche Gruppen im Widerstand sind, wie viele weiße Gruppen auch. Auch der Gedanke, wie wir christlich einwirken können und als Schwestern und Brüder gefordert sind.

Prahm: Um hier über Südafrika aufklären zu können, und um den Menschen dort zuzusichern: Wenn euch was geschieht, etwa Vetreibung oder Enteignung, schlagen wir hier Alarm und protesieren öffentlich.

Korhammer: Um meinen christlichen Schwestern und Brüdern dort und hier - sozusagen näherzukommen. Viele Widerstandgruppen haben uns gesagt: 'Wir wußten nicht, daß ihr diese Arbeit in Bremen macht, macht weiter!‘

Womit? Was machen die Frauen gegen Apartheid denn seit 10 Jahren? Mahnwachen...

Prahm: Vor allem die Aufforderung zum Früchteboykott, zum Bankenboykott, also die Konten

bei den Banken zu kündigen, die mit Südafrika Geschäfte machen - auch die Kirche.

Bulling: Gerade bei Sanktionen waren wir verunsichert, wenn uns immer gesagt wurde, das ist gegen die Schwarzen. Wir haben keinen einzigen Schwarzen getroffen, der gegen Sanktionen ist!

Sind Sie denn frei herumgelaufen, oder haben Sie Funktionäre, Kirchenvorständler und Institutionen besuchen müssen?

Christine Konukiewitz: Wir haben das Partnerprojekt 'Matiwane's Kop‘ besucht und richtig drei Tage bei denen gelebt und ihren Alltag, ihre politischen Ansichten und die Angst vor Enteignung mitgekriegt.

Prahm: Ein Erlebnis war, hinter Mauern und Gittern zu leben. Wir waren ja, bis auf die Tage in der Dorfgemeinschaft, bei Weißen untergebracht, weil es für Schwarze schwer ist, jemanden aufzunehmen. Wir haben hinter Mauern und Gittern gewohnt, einbezogen in das Mißtrauen: Fahrt nicht mit dem Zug, steht nicht auf dem Bahnhof herum.

Konukiewitz: Ich hab nie so viel Natodraht gesehen; um die Fabriken, Hostels, Schulen...

Korhammer: Nicht nur Schwarze leiden, auch die Weißen.

Haben sich Ihre Vorstellungen bestätigt? Was hat Sie überrascht?

Bulling:Alles ist noch viel schrecklicher, das Leid, auch der Weißen im Widerstand, die ihre Karriere aufgegeben haben, sich täglich melden müssen, sich nicht treffen dürfen... Das Elend in den Vierteln, die brutalen Polizeieinsätze...

Konukiewitz: Aber auch diese Stärke, wenn die Polizei die Hütte niedergewalzt hat, alles wieder aufzubauen, das elendeste Stück Land festzuhalten...

Haben Sie Frauen besonders auf die Frauen geachtet?

Korhammer: Schon in Matiwane's Kop haben wir erlebt, daß die Frauen das Essen zubereiten, aber nicht mit uns am Tisch saßen und aßen, daß sie diesen dienenden Status hatten. Wir haben es nicht angesprochen, aus Gründen der Gastfreundschaft...

Haben Sie sich als weiße Westeuropäerinnen als Verbündete gefühlt oder geschämt, daß wir alle von der internationalen Ausbeutung leben, auch wenn wir zum Bankenboykott aufrufen?

Bulling: Das Gefühl wurden wir alle nicht los und die Überraschung, dennoch so freundlich aufgenommmen worden zu sein.

Korhammer: Wir kamen ja nicht als Touristinnen und hatten schon vorher Kontakte zu hauptsächlich weißen Widerstandsgruppen.

Konukiewitz: Das einzige Mal, wo ich das Gefühl hatte, sie sind mißtrauisch, war an der schwarzen Uni, als uns Studenten befragt haben: Waren die überhaupt schon mal in den Townships...

Prahm: ... und sie haben uns gefragt, ob wir denn auch die radikalen Dinge tun, oder ob wir nur auf der Straße stehen und Handzettel verteilen, ob wir schon mal daran gedacht haben, unsere Regierung in die Luft zu blasen..., ob wir mit der Anti-Apartheid-Bewegung in der DDR zusammenarbeiten total neue Fragen für uns...

Sind Sie denn ins Nachdenken gekommen, was die Formen politischer Arbeit betrifft?

Korhammer: Über die Form habe ich nicht so nachgedacht, am Früchteboykott und Bankenboykott müssen wir weiter machen. Ich persönlich vermute, daß der neue Weg nicht mit mehr Radikalität - im Bereich der Bremer Kirchengemeinden gegangen werden kann.

Die Bremische Evangelische Kirche hat auch noch Südafrika -Konten... Kriegt man da nicht

langsam Zweifel? 1981 haben Sie mit der Kampagne angefangen...

Bulling: Letztes Mal gab es schon eine Mehrheit auf dem Kirchentag, aber man braucht Zweidrittel.

Prahm: Eine Frau hat entschieden: Jetzt trete ich aus der Kirche aus und überweise die Kirchensteuer lieber an den ANC.

Welche Rolle spielt die Kirche in Südafrika? Die „Vereinigten Evengelischen Kirchen“ in Namibia wußte seit 1985 von den Folterungen in den untrirdischen Swapo -Lagern und hat geschwiegen...

Korhammer: Das waren nicht alle, nur die lutherischen Kirchen.

Prahm: Der südafrikanische Kirchenrat besteht in der Mehrzahl aus Schwarzen und Farbigen, sozusagen eine gemischtrassige Anti-Apartheitsbewegung. Die Kirche wird da praktisch und bringt sich politisch ein.

Konukiewitz: Natürlich gibt es auch ganz konservative Gemeinden. Aber der Kirchenrat arbeitet auch ganz eng zusammen mit Gewerkschaften und anderen Widerstands-Gruppen. Bei uns wird immer sofort gesagt 'Laß bloß die Politik aus der Kirche raus‘. Fragen: Susanne Paa