Lieber zum Mann zurück

■ Awo-Frauenhaus katastrophal überbelegt / SpekulantInnen wollen an der Wohnungsnot verdienen

In genau 20 Zimmern, nicht gerade übermäßig groß, leben 34 Frauen und 27 Kinder - Stichtag gestern. Helga K. wohnt in einem Raum mit ihren drei Söhnen zwischen 9 und 17 Jahren seit eineinhalb Jahren. In anderen Zimmern sitzen je zwei Frauen mit zwei kleinen Kindern. Als Ort der Zuflucht, der Erholung und der Ermutigung gedacht, ist das Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) inzwischen so rappelvoll, daß manche Frauen lieber zu ihren gewalttätigen Ehemännern zurückkehren, als weiter in so drangvoller Enge zusammengestopft zu leben. Aus der Einrichtung für geschlagene Frauen ist eine Einbahnstraße geworden: Weil der Wohnungsmarkt dicht ist, kommen zwar immer noch Frauen in Not an und bitten um Aufnahme, aber fast

keine kann mehr raus und ihr selbständiges Leben in Angriff nehmen. „Zwei Notbetten haben wir noch, und Frauen, die nicht mißhandelt hier ankommen, können wir gar nicht mehr aufnehmen“, erklärte Mitarbeiterin Monika Bossong der taz. Weil die meisten Frauen von Sozialhilfe leben, sind die Marktpreise für Wohnraum unerschwinglich: Eine Frau mit einem Kind bekommt 570 Mark für eine Warmwohnung erstattet. „Makler und Vermieter winken ab, wenn sie das Stichwort Sozialamt hören. Da muß eine Frau schon sehr sicher auftreten und sich gut ausdrücken können.“

Die Frauen haben sich ins Frauenhaus vor ihren prügelnden Männern mit kleinstem Gepäck geflüchtet und meistens die gemeinsame Wohnung mit allen

Möbeln zurückgelassen. Der die Schläge austeilte, sitzt dann allein in der Wohnung, das Opfer aber verliert zusätzlich Nachbarschaft, Lebensraum, Ausstattung. Die Kinder müssen Schulwechsel in Kauf nehmen. Mit einer einstweiligen Verfügung schaffte es kürzlich eine Frau, ihren Mann aus der Wohnung zu komplimentieren. Das Verfahren zog sich drei Monate hin, die Frau ging zwischendurch zurück, damit die Kinder in ihre Bremen-Norder Schule gehen konnten, flüchtete erneut ins Frauenhaus, weil sie mit dem gewalttätigen Mann auch kurzfristig nicht wohnen konnte.

Im Frauenhaus wächst inzwischen die Stimmung gegen Aus- und ÜbersiedlerInnen. Und immer mehr Frauen betteln um ein Dach über dem Kopf, nicht weil

sie geschlagen, sondern weil sie wohnungslos sind.

In die Lücke springen zunehmend dubiose MaklerInnen und private VermieterInnen, „die den Frauen die letzen Löcher für horrendes Geld andrehen wollen“, so Mitarbeiterin Gabi Scholz, „zum Teil bieten sie zweideutig Familienanschluß an oder Hausarbeit“. Letzter Höhepunkt war das „Wohnungsangebot“, von dem Mitarbeiterin Anneliese Glomp berichtete: ein Elf-Quadratmeter-Zimmer in einer Horner Villa, kostenlos. Nur 19 alte Damen und Herren, die in dem Heim untergebracht sind, wären über die Nächte zu betreuen, von 18.30 bis 8 Uhr morgens. Wenn die Mieterin im Garten Unkraut zupft, gibt es sogar das Heimessen gratis.

Susanne Paas