Atomstrom statt Spandauer Forst?

■ Betr.: "Warum denn ein Daimler, wenn doch ein Golf genügt?", taz vom 9.9.89

Betr.: „Warum denn ein Daimler, wenn doch ein Golf genügt?“, taz vom 9.9.89 (Warum denn ein Golf, wenn Fahrrad und BVG genügen? d.sin)

Es wundert mich schon sehr, welchen alten Hut die taz kommentarlos als Dokumentation verkaufen will. Versuchen doch seit Wochen unter anderem die Umweltverwaltung, der Geschäftsführende Ausschuß der AL, der Umweltbereich und andere MandatsträgerInnen der AL, eine sanfte Überleitung zum Bau der Atomstromtrasse durch den Spandauer Forst für die AL-MVV am 20.9. vorzubereiten. Von einer möglichen Untersagung des Leitungsbaus mit Hinweis auf §14 Naturschutzgesetz - durch den gem. Abgeordnetenhausbeschluß als besonders wertvolles Biotop eingestuften Wald - oder einer unterirdischen Durchpressung redet in der Umweltverwaltung offensichtlich niemand mehr, seitdem ein 100.000.000-DM-Kredit der Bewag zur Diskussion steht.

Um einiges klarzustellen: Den Stromlieferungsvertrag einhalten - ohne mit der DDR neu zu verhandeln - und 110.000 -Volt-Leitung (statt 380.000 V), das geht allein technisch kaum. Denn die Bewag muß nach dem Stromlieferungsvertrag jährlich mindestens 825.000.000 KwH Strom beziehen, welches eine Leitungsbelastbarkeit von mindestens 400 Mwh erfordert.

Darüber hinaus will die Bewag die Frequenzregelung über den Verbund betreiben. Dies bedeutet weitere 50 bis 100 MWh Leistung. Außerdem soll eine Sofortreserve bei Kraftwerksausfall (Annahme Ausfall größter Kraftwerksblock derz. 300 Mwh) bereit stehen. So ergibt sich eine Leistung von 800 Mwh. Eine 110-KV-Leitung gibt aber nach Recherchen der beiden Initiatoren nur max. 200 Mwh her, die zweite Leitung dient als Reserve.

Außerdem bleiben die schweren ökologischen Schäden im Wald wie zum Beispiel das Fällen von Tausenden von Bäumen. Einem Vogel dürfte es ziemlich egal sein, ob er gegen eine 110-KV oder 380-KV-Leitung fliegt und stirbt. Die Niederneuendorfer Allee ist in diesem Teilstück zur Zeit ein unbefestigter Waldweg. Sie müßte bei beiden Versionen als Straße für 35 -Tonner ausgebaut werden. Ein Umspannwerk an der Grenze hätte eine Grundfläche von ca. 3.000 Quadratmeter (und nicht Turnhallengröße), wie man in der Lützowstraße in Tiergarten sehen kann. Es würde also mehr Wald zerstört als bei der Bewag-Version, so daß im Falle eines AL-MVV-Beschlusses sicher käme: „Jetzt habt ihr euch schon für die Leitung im Wald entschieden, nun gebt euch doch noch einen Ruck.“ (...)

Wenn schon mit der DDR neu verhandelt werden sollte, so müßte doch die erste Forderung der AL sein, keine Hochspannungsstromleitung im Spandauer Wald, gleich welcher Spannungsebene.

Daß Hartwig und Wilfrid wider besseren Wissens (Diskussion im Energiepolitischen Ratschlag) dies als „akzeptable Lösung“ ins Gespräch bringen, kann wegen der sicheren Ablehnung durch Bewag und Senat nur einer sanften Überleitung zur Akzeptierung der Atomstromtrasse dienen. Was dies bedeutet, ist offensichtlich nur wenigen in der AL (und SPD) klar: Ausbau des 380.000-Volt-Netzes zum Umspannwerk Lützowstraße nach Kreuzberg, Neukölln sowie parallel von Reuter-West durch Charlottenburg, Wilmersdorf und Steglitz zum Kraftwerk Barnackufer; Bau eines weiteren Kraftwerkes im Bereich Kreuzberg, Tempelhof, Neukölln wegen Steigerung des Stromverbrauchs.

Eine AL, die als einziges Ziel eine permanente Angst vor einem Bruch des rot-grünen Senats hat, wird wohl noch so manche unnötige Niederlage hinnehmen.

Albrecht Schwarz, AL-Charlottenburg/ Energiepolitischer Ratschlag