Indien will bis 31.Dezember Truppen aus Sri Lanka abziehen

Bilateraler Vertrag unterzeichnet / Inder rufen einseitigen Waffenstillstand aus / Sri Lankas Präsident Premadasa lädt zu Allparteienkonferenz  ■ I N T E R V I E W

Colombo (taz) - Indien will eigenen Angaben zufolge seine Truppen bis zum 31.Dezember aus Sri Lanka abziehen und zudem ab Mittwoch 6Uhr Ortszeit (2.30Uhr MEZ) bis auf weiteres eine Feuerpause im Kampf gegen die tamilische Guerilla einhalten. Einen entsprechenden Vertrag unterzeichneten diplomatische Vertreter Indiens und Sri Lanka am Montag in Colombo. In den kommenden drei Monaten werde ein stufenweiser Übergang der Sicherheitskontrollen in den von Tamilen bewohnten nördlichen und östlichen Provinzen Sri Lankas von indischen Truppen hin zu srilankischen Ordnungskräften erfolgen, hieß es weiter. Damit wäre ein Hauptargument der Rebellen in ihrem Kampf gegen die Regierung beseitigt. Ein LTTE-Sprecher aus London teilte indes telefonisch mit, seine Organisation sei noch nicht über die Details der Erklärung informiert. „Deshalb können wir sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht kommentieren.“ Gleichzeitig hat der singhalesische Präsident Premadasa zu einer Allparteienkonferenz eingeladen. Über Ziele und Inhalte dieser Konferenz sprach Walter Keller mit dem srilankanischen Politik- und Sozialwissenschaftler Reggie Siriwardane vom „International Centre for Ethnic Studies Colombo„

taz: Anfang der Woche hat in Colombo eine sogenannte Allparteienkonferenz begonnen. Wer spricht da mit wem über was?

Reggie Siriwardane: Es sind zahlreiche politische Parteien, die zuerst in bilateralen Gesprächen mit Präsident Premadasa zusammenkommen. Dabei geht es um die Frage, wie die immer größer werdenden politischen Probleme des Landes gelöst werden können, und wie man der wachsenden Gewalt begegnet.

Nach den Einzelgesprächen mit den Repräsentanten der Parteien will der Präsident dann am 12.Oktober mit allen Parteien zu einer Konferenz zusammenkommen.

Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten?

Bis vor kurzem schienen solche Gespräche noch unmöglich. Ich denke allerdings, daß die meisten Parteien und Politiker von der sich täglich zuspitzenden Situation alarmiert sind. Sie haben erkannt, daß die Lage zunehmend unüberschaubarer wird und das Land immer stärker dem Abgrund zutreibt.

Bei den Gesprächen wird es in erster Linie darum gehen, wie die Aktivitäten der immer stärker werdenden sinhalesischen „Volksbefreiungsfront“ (JVP), die für einen Teil der Terrorpolitik verantwortlich ist, zu kontrollieren sind. Wird auch die JVP teilnehmen?

Es gibt aber Gerüchte über geheime Gespräche zwischen der Regierung Premadasa und Offiziellen der JVP. Die JVP setzt jedoch ihre Terrorpolitik unvermindert fort. Im Moment sind die Angehörigen der Streitkräfte Zielscheibe der JVP. Für den Fall, daß Soldaten ihren Dienst nicht quittieren, wird mit der Eliminierung ihrer Angehörigen gedroht. Es kommt seit einigen Wochen auch zunehmend zu Anschlägen auf Regierungsbüros und Verwaltungsgebäude in der Provinz. 200 Gebäude sind innerhalb kürzester Zeit zerstört worden.

Andererseits muß die Verletzung der Menschenrechte durch die Regierung angeprangert werden. Die regulären Streitkräfte und ihnen nahestehende, geheim operierende Killerkommandos machen in Nacht- und Nebelaktionen Jagd auf vermeintliche und tatsächliche JVP-Mitglieder. Es sind Jugendliche, die entführt und dann später ermordet aufgefunden werden. Täglich liegen halb verkohlte Leichen am Straßenrand, andere treiben auf den Flüssen. (Allein im August sind über 1.000 Morde registriert worden, die Redaktion).