coop: Rettung in letzter Minute

Japanische Banken stimmen Forderungsverzicht zu, weil sie jetzt ihre Verluste steuerlich absetzen können  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Japan als das Land der aufgehenden Finanzkraft hat den angeschlagenen Frankfurter Handelskonzern coop und seine 46.000 Beschäftigten vor dem drohenden Konkurs, die zahlreichen Zulieferer vor starken Verlusten gerettet. Der Konzernvorstand zog daraufhin den bereits beim Gericht eingereichten Vergleichsantrag gestern zurück. Künftig will man sich wieder auf das Lebensmittelgeschäft beschränken und verkaufte deshalb noch am Wochenende zwei Tochtergesellschaften, die Fachmärkte für Spielwaren und Sportartikel betreiben.

Das Tokioter Finanzministerium hatte den japanischen Gläubigerbanken nach zähen Verhandlungen jetzt gestattet, die Verluste, die sich aus dem Forderungsverzicht gegenüber coop ergeben, steuerlich abzusetzen. Nachdem für die japanischen Kreditinstitute damit dieselben Bedingungen galten wie etwa für die bundesdeutschen Gläubiger, konnte am späten Sonntag abend der ursprüngliche Plan des federführenden Sanierungshelfers der einst gewerkschaftseigenen Handelskette, der DG-Bank, beschlossen werden: Die Gläubiger verzichten auf 75 Prozent ihrer Forderungen und bekommen das restliche Viertel bis Ende September in bar ausgezahlt. Aufgrund der Weigerung vor allem der japanischen und anderer ausländischer Banken, diesem Verzicht zuzustimmen, galt das Sanierungskonzept bis zum Wochenende eigentlich als gescheitert.

Auch der zweite Baustein des DG-Konzeptes - Kapitalschnitt sowie anschließende Kapitalerhöhung - scheint nun beschlossene Sache: Die bisherigen Aktien der coop -Anteilseigner werden erheblich niedriger bewertet. Anschließend schießen sie neues Kapital in Höhe von 300 bis 350 Millionen Mark nach, indem sie neuaufgelegte Aktien kaufen - mit dem Ergebnis, daß ihr coop-Besitz derselbe bleibt, das Unternehmen jedoch eine stärkere Kapitalbasis hat. Für diese Kapitalerhöhung haben die DG-Bank und die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) eine Garantie übernommen. Sollten die maßgeblichen vier Banken aus der Schweiz, den Niederlanden, den USA und Schweden mit zusammen 72 Prozent Anteilsbesitz dabei nicht mitziehen und ihre Bezugsrechte auf die neuen Aktien nicht wahrnehmen, so würden die DG-Bank und die BfG, die eigentlich die neuen Aktien nur ausgeben („emissionieren“) wollen, dieselben vorübergehend selbst übernehmen. Auch gestern war noch nicht zu überblicken, ob tatsächlich alle 140 Gläubiger Fortsetzung auf Seite 2

Auch gestern war noch nicht zu überblicken, ob tatsächlich alle rund 140 Gläubigerbanken dem Forderungsverzicht zugestimmt haben. Es ging immerhin darum, von den Gesamtforderungen über 2,3 Milliarden Mark insgesamt 1,7 Milliarden in den Wind zu schießen. Die ja

panischen Banken verzichten dabei auf insgesamt 320 Millionen Mark. Das Problem der japanischen Banken, ihre Forderungsverzichte grundsätzlich nicht wie Ertragseinbußen steuerlich absetzen zu können, findet sich auch auf einer anderen Ebene wieder: Während die bundesdeutschen Banken, die bei Verzichtsleistungen entsprechend weniger an den Fiskus abliefern müssen, seit längerem lauter über Schuldenerlaß gegenüber der Dritten Welt nachdenken, blocken hier ihre Kollegen aus den USA und Japan vor allem aus diesem Grunde. Die Gesetzeslücke, die in Sachen coop den Ausweg ermöglichte, war nun eine japanische Vorschrift, nach der dann steuerlich abgesetzt werden darf, wenn der Verzicht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durchgeführt wird. Nachdem nun das Vergleichsverfahren angemeldet worden war, konnte steuer

lich abgeschrieben werden, obwohl gerade dadurch kurioserweise das Vergleichsverfahren wieder gestoppt werden konnte.

Ulli Kulke