Opposition will neues Weserkraftwerk

■ Grüne, CDU und FDP wollen Neubau beantragen, SPD entscheidet erst im November über Einhaltung des Wahlversprechens

Eine „große Koalition der Opposition“ bildete sich am Montag abend, als die Initiative „Neue Energie für Bremen“ zur Podiumsdiskussion über den Neubau eines Weserkraftwerks geladen hatte. Der grüne Landesvorstand Günter Warsewa, CDU -Fraktionschef Peter Kudella und FDP-Vertreter Stierle wollen mit einem gemeinsamen Antrag in der Bürgerschaft die Stadtwerke auffordern, ihr Versprechen aus dem Jahr 1986 wahr zu machen und neben dem neuen Weserwehr auch wieder ein Wasserkraftwerk zu bauen.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Bürgermeister Wedemeier, und die Stadtwerke selbst hatten ihre Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt. Der Senat müsse „zu gegebener Zeit“ erstmal über das Wasserkraftwerk entscheiden, schrieb Wedemeier damals zur Begründung. Tatsächlich hatte sich der Bürgermeister jedoch schon beim Abriß des alten Kraftwerks auf einen Neubau festgelegt. Das war allerdings wenige Wochen vor der Bürgerschaftswahl vom September

1987. Damals hatte Wedemeier keinen Zweifel daran gelassen, daß auch am neuen Wehr wieder umweltfreundliche Energie erzeugt werden solle. Und auch das SPD-Wahlprogramm enthält dazu eine klare Aussage.

„Es gibt zum Weserkraftwerk noch keine eindeutigen Parteibeschlüsse“, dämpfte Cornelius Noack am Montag abend allzu große Erwartungen in die Einhaltung der Wahlversprechen. Noack gehörte als stellvertretender Vorsitzender dem „Bremer Energiebeirats“ zu den Befürwortern des Wasserkraftwerks. Beschlüsse sollen erst auf einem Energie-Parteitag im November fallen. „Außerdem sind die Stadtwerke bekanntlich eine Aktiengesellschaft und keine Unterorganisation der SPD“, ergänzte Noack ironisch und erntete dafür herzliches Gelächter aus dem Publikum. Schließlich waren nach Tschernobyl zwei Stadtwerke -Beschlüsse für mehr Atomstrom auf Druck der SPD wieder gekippt worden.

„Damals gab es aber auch eine Bewegung, die es heute nicht

mehr gibt“, erinnerte Edo Lübbing, Mitglied der Initiative und persönlicher Referent des zweiten Bürgermeisters Henning Scherf in der Diskussion. Die Energiedebatte werde in der SPD nur noch „freudlos“ geführt; das Fernwärme-Programm sei im Bremer Osten inzwischen „in großen Teilen zur Betriebs -Subvention für Daimler verkommen“. Und auch gegenüber der „großen Koalition“ mit der CDU für ein neues Weserkraftwerk blieb Lübbing skeptisch: „Die haben sich aus dem Energiebeirats-Bericht nur eine Rosine rausgepickt und den großen Rest lehnen sie ab.“

Dem mochte auch Peter Kudella nicht widersprechen. Schließlich verteidigt er nach wie vor die Atomenergie als Alternative zur Stromerzeugung aus Kohle. Doch beim Weserkraftwerk sei seine Partei Vorreiter, rühmte er und verwies auf einen entsprechenden CDU-Antrag vom Mai 1986.

Eine finanzielle Frage könne der Neubau des Wasserkraftwerks nicht sein - darin war sich

die Versammlung einig. Schließlich hat selbst der skeptische Stadtwerke-Vorstand nur einen „Verlust“ von sieben Millionen Mark auf 30 Jahre errechnet. Dem stünde der Gewinn einer um 370.000 Tonnen weniger mit Kohlendioxid verdreckten Bremer Luft gegenüber. „Im Vergleich mit dem nicht unwahrscheinlichen Risiko einer 10prozentigen Preissteigerung bei der Kohle sind sieben Millionen Mark Deckungslücke gar nichts“, bestätigte auch Cornelius Noack, dessen Energiebeirats-Kollege Jürgen Franke zudem aus den gleichen Stadtwerke-Zahlen einen Gewinn des neuen Weserkraftwerks von 13 Mio

Mark errechnet hat.

Eine nicht minder plausible Rechnung machte ein Stadtwerke -Mitarbeiter aus dem Publikum („Ich bin hier nur privat; zu solch einer Veranstaltung schickt mich meine Firma nicht“) auf: Ein neues Weserkraftwerk würde helfen, Bremen über Wasser zu halten. Schließlich würde es den CO2-Ausstoß verringern und so die Klima-Katastrophe und das Abschmelzen der Pole verzögern. Sogar für den eigenen Weiterbetrieb würde das nützliche Wasserkraftwerk damit sorgen: Schließlich käme die Energie in Hastedt aus dem Gefälle zwischen Weser und Nordsee.

Dirk Asendorpf

Gestern erklärten die Stadtwerke, daß sie eine Entscheidung noch in diesem Jahr treffen wollen. Unnötiger Zeitdruck sei ebensowenig angebracht, wie die Vorwegnahme von Aufsichtsratsentscheidungen. Aufsichtsratsvorsitzender Wedemeier gestern: Durch Überkapazitäten würden die Stadtwerke jährlich 5 bis 8 Mio. weniger Gewinn machen. Wedemeier trotz dieser Rechnung: „Insgesamt ist das eine lohnende Investition.“ Auch Wedemeier möchte die Grundsatzentscheidung noch dieses Jahr treffen, wann dann neu gebaut werde sei „nicht so wichtig.“

hbk