: Wedemeier will bessere Politik machen
■ Senatspolitik für die nächsten 2 Jahre: Weniger Straßen, 800 Kindergartenplätze mehr, Kompromiß für's Hollerland
Die Bremer Regierungspolitik soll künftig Schwerpunkte bekommen. Nach zweitägiger Klausur in der vergangenen Woche und einer regulären Sitzung am gestrigen Dienstag kamen die SenatorInnen einstimmig zu diesem Ergebnis, und Bürgermeister Klaus Wedemeier verkündete im Anschluß auch gleich, wo: Erstens beim Umweltschutz, zweitens in der Beschäftigungspolitik und drittens im Bereich „Solidarisches Zusammenleben“ aller Bevölkerungsgruppen.
Im Umweltschutz möchte sich der Bürgermeister einiger Debatten entledigen, die seit Jahren die öffentliche Diskussion bestimmen. So beschloß der Senat, daß auf zwei umstrittene Straßenbaumaßnahmen, die Georg-Bitter-Trasse und die Beneckendorffallee, verzichtet wird. An fünf Großprojekten, (Hafenrandstraße, Daimler-Tunnel, Anbindung des Güter-Verkehrs-Zentrums, Verlängerung der Bundesstraße 74 nach Farge und Fly-Over Lesum) hält die Landesregierung fest.
Eine Fahrpreiserhöhung für den ÖPNV kommt erst in Frage, wenn die Diskussion um das ÖPNV-Konzept abgeschlossen ist. Damit ist der Zeitpunkt 1. Januar, so Wedemeier, „vermutlich vom Tisch“.
Vom Tisch ist auch der Plan, die Bremer Müllverbrennungsanlage (MVA) „möglichst“ 1995 zu schließen. Dafür hat der Senat erstmals eine konkrete Planung vorgelegt, ab wann der Bremer
Restmüll in der Müllbeseiti gungsanlage (MBA) Bremerhaven verbrannt werden kann. Alternative eins sieht die Mitnutzung der MBA spätestens für das Jahr 2001 vor, wenn in Bremerhaven Kapazitäten freiwerden, Alternative zwei sieht die Stillegung der Bremer Altanlage für 1997 vor. Im ersten Fall müßte ein zusätzlicher Kessel in Bremerhaven gebaut werden, im zweiten Falle sogar zwei. Die Entscheidung wird davon abhängig gemacht, ob sich Niedersachsen an der Finanzierung beteiligt. Indirekte Kritik
übte Wedemeier an Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte: Von ihrem Ressort verlangte er „erhebliche Mehranstrengungen und verbesserte Öffentlichkeitsarbeit“ in Sachen Abfallwirtschaft.
Auch in die Energiepolitik kommt etwas Bewegung. So soll vom kommenden Jahr an ein Förderprogramm für Energieeinsparungsmaßnahmen in privaten Haushalten aufgelegt werden. 1990 sind eine Million, im Jahr darauf zwei Millionen vorgesehen. Außerdem soll ein Landes
energiegesetz erarbeitet und ein Institut für kommunale Energiepolitik eingerichtet werden. Ob und vor allem wann das Weserkraftwerk neu gebaut wird, bleibt allerdings ebenso offen wie eine Entscheidung über den Fernwärme-Ausbau im Bremer Westen.
In Sachen Hollerland ist der Senat auf den von Umweltschützer Gerold Janssen vorgeschlagenen Kompromiß eingegangen. Es soll dort zwar gebaut, gleichzeitig aber die Naturschutzfläche erweitert werden. Die genaue Festlegung will der Bürgermeister
erst verkünden, wenn auch er mit Janssen im Hollerland war, aber Feuchtgebiet und Hollerwald scheinen jetzt gerettet.
Unter dem Stichwort „solidarisch Leben“ verspricht der Senat für 1990 zusätzlich 800 Kindergartenplätze. Bis 1991 sollen in diesem Bereich 67 Stellen eingerichtet und sieben Millionen Mark investiert werden. Der Evangelischen Kirche wurden zwei Millionen Mark für sieben zusätzliche Gruppen zugesagt. Das Ziel, bis 1994 ein Kindergartenplatzangebot von 90 Prozent zu erreichen, hat der Senat zwei Jahre nach hinten verschoben.
Schwerpunkt der Beschäftigungspolitik bleibt der Versuch, möglichst 3.700 AB-Maßnahmen abzusichern. Dafür wird für die kommenden beiden Jahre ein Stammkräfte-Programm von jeweils 2,5 Millionen Mark aus dem Landeshaushalt finanziert. Damit sollen möglichst viele freie Träger ABM-fähig gehalten werden. Außerdem soll das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ von 400 auf 800 Maßnahmen verdoppelt werden.
Deutliche Abstriche mußten die Ressorts bei ihren Stellenwünschen machen: Von den beantragten 1.052 außerordentlichen Neueinstellungen wurden lediglich 378,5 bewilligt, 341 davon in den Bereichen, die Wedemeier zu den Schwerpunkten seiner Politik erklärt hatte. Freute sich der Bürgermeister gestern: „Das hab‘ ich gut hingekriegt.“
hbk
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