Angestelltenkammer: Demokratie in Sicht

■ Belegschaft protestierte gegen DGB-Kungelei, HBV-Sekretär schloß sich überraschend an / Präsident überdenkt

„Da haben wir ihn am Ende doch noch weichgeklopft“ glücklich und erleichtert verließen die Bediensteten der Angestelltenkammer gestern ihre außerordentliche Personalversammlung. „Weichgeklopft“ hatten sie in einer zweistündigen Debatte zu ihrer eigenen Überraschung ihren Präsidenten Bernhard Baumeister (HBV). Richtig weich geworden war Baumeister aber erst beim allerletzten Redner, dem Sekretär seiner eigenen Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV). Denn ausgerechnet der HBV-Sekretär Klaus Busch sagte im Gegensatz zu fast allen anderen Gewerkschaftsfunktionären klipp und klar, daß er das Kungeln im Kammervorstand auf keinen Fall mitträgt: „In der Angestelltenkammer kann nicht kommandiert werden. - Fehler müssen eingestanden und korrigiert werden“.

Hintergrund der Auseinandersetzung in der Angestelltenkam

mer, in der seit zwei Jahren nicht mehr die DAG (Deutsche Angstelltengewerkschaft), sondern der mächtige Bremer DGB das Sagen hat: Präsident Bernhard Baumeister hatte sich mit seinen sechs VorstandskollegInnen, ohne die Belegschaft oder den Personalrat zu fragen, am 6. September auf einen neuen Geschäftsführer für die Angestelltenkammer geeinigt, den hiesigen Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft, (DPG) Harald Schütz. In einem Eilverfahren sollte Schütz morgen, am Donnerstag, von den GewerkschaftsvertreterInnen in der Vollversammlung der Angestelltenkammer gewählt werden. Der Vorgänger, der bisherige langjährige Geschäftsführer Hans Urbanek, will zum 1.1.90 in den Vorruhestand treten.

Rund hundert Belegschaftsmitglieder waren gestern in den Kultursaal gekommen; mit nur einer Ausnahme hoben sie alle den Arm, um das Verschieben der für

morgen anberaumten Wahl des neuen Geschäftsführers zu fordern. In ihrer Resolution wird - eigentlich Selbstverständliches - verlangt: „Die Stelle ist öffentlich auszuschreiben und es ist ein ordnungsgemäßes Bewerbungsverfahren durchzuführen. Die KandidatInnen sind einer Personalversammlung vorzustellen, damit die Belegschaft in die Meinungsbildung einbezogen wird.“

Viele RednerInnen aus der AK hoben immer wieder darauf ab, daß sie für sich nur die Mitbestimmungsrechte einfordern, die sie von Berufs wegen als GutachterInnen und Betriebsräte -SchulerInnen für andere Betriebe immer wieder offensiv verlangen. „Wir müssen jetzt damit rechnen, daß diese Gutachten zurückkommen“, erklärte Desiree Kamm vom Betriebs und Personalrätezentrum. Unglaubwürdig mache sich die Angestelltenkammer mit ihrer undemokratischen Gewerkschaftspolitik. Mehrmals fielen

die Stichworte der herunterge wirtschafeten Ex-Gewerkschaftsbetriebe Coop und Neue Heimat.

Der Bremer DGB-Vorsitzende Heinz Möller, der Interesse an einem Schnell-Verfahren hat, weil er voraussichtlich nur noch bis zum 1.10.89 im Kammervorstand sitzt und dann Geschäftsführer bei der Arbeiterkammer wird, rechtfertigte die Vorstands-Absprachen vorbehaltlos: „Das Verfahren, das jetzt gewählt wurde, ist das einzig Machbare.“ Der ÖTV -Funktionär Holger Aebker, selbst ohne Ausschreibung an die Macht gekommen, argumentierte ähnlich: Ein öffentliches Verfahren schade nur: „Dann kommt die Presse und macht den Kandidaten kaputt.“ Aebker hatte es auch nicht für nötig gehalten, seine ÖTV-Betriebsgruppe in der Angstelltenkammer zu informieren. Nur die einzige Frau im Kammervorstand, Ulrike Buchner (ÖTV), machte von Anfang

an klar, daß sie sich in einer Minderheitsposition befunden hatte: „Ich war für eine öffentliche Ausschreibung.“

Erst nachdem er in sehr persönlicher Form kritisiert worden war, ließ auch Kammerpräsident Bernhard Baumeister durchklingen, daß er anfangs eine öffentliche Ausschreibung befürwortet hatte. Doch in seiner eigenen Gewerkschaft hatte er keine Unterstützung gefunden. Saß da doch bereits Geschäftsführer Thiel im Startloch, der selbst eine Bewerbung einreichen wollte. Für Überraschung sorgte denn gestern HBV-Sekretär Busch, der forderte, der den Part seiner eigenen Gewerkschaft als „peinlich“ bezeichnete: „Das Verfahren muß neu aufgerollt werden“. Der „weichgeklopfte“ Präsident Baumeister daraufhin: „Wenn der HBV-Vorstand diese Postion übernimmt, bin ich bereit, das Verfahren zurückzudrehen.“

Barbara Debus