„Es merkt ja keiner“

■ Auch im Sommer wird in öffentlichen Gebäuden geheizt / Rat der Bürgermeister diskutiert erneut über „Energieberater“ / Energieverschwendung grassiert

30 qualifizierte Berater sollten in den Bezirken dafür sorgen, daß in öffentlichen Gebäuden keine Energie mehr verschwendet wird. So planten es Umweltsenatorin Schreyer und Bausenator Nagel; doch das löbliche Vorhaben wurde, wie berichtet, von Innensenator Pätzold gekippt. Am Donnerstag will der Rat der Bürgermeister, in dem neben Senatschef Walter Momper alle Bezirksbürgermeister versammelt sind, noch einmal über das Thema „Energieberater“ diskutieren. Es geht um Möglichkeiten, das Energiesparen dennoch zu forcieren, ohne aber neue Stellen schaffen zu müssen.

Walter Momper hatte den Bezirken schon Ende Juli geraten, es sei „wahrscheinlich am effektivsten“, wenn sie ihre bisherigen Mitarbeiter weiterbildeten. Dagegen regt sich jetzt Widerspruch - und zwar in den Ämtern, die jetzt schon für die Energieversorgung der Dienstgebäude verantwortlich sind, in den Heiz- und Maschinenämtern der Bezirke. Mompers Vorschlag sei völlig unrealistisch, erklärte ein Ingenieur gegenüber der taz. Jetzt schon fehle es an allen Ecken und Enden an Bedienungspersonal für die Heiz- und Klimaanlagen. Gegen „verkrustete Strukturen“ könne auch eine Weiterbildung der jetzt schon überlasteten Bediensteten nichts ausrichten.

Glaubt man dem Ingenieur, dann grassiert in den öffentlichen Gebäuden der Stadt die Energieverschwendung. Heizungspumpen laufen oft auch im Sommer und wälzen kaltes Wasser durch die Rohre. Zum Ausgleich arbeiten Klimaanlagen auch im Winter unverdrossen weiter. An Wochenenden drehen sich Ventilatoren in leeren Gebäuden - „weil sie niemand ausschaltet“. Selbst in den Sommerferien stellt keiner die Warmwasserbereitungsanlagen in Schulturnhallen ab - „es merkt ja keiner“.

Der Ingenieur, der in den Maschinenämtern von zwei Bezirken Erfahrungen sammeln konnte, fordert die Einstellung gutbezahlter Handwerksmeister. Sie könnten durch die Gebäude gehen und die Anlagen je nach Bedarf bedienen. Energieberater sollten zusätzlich kontrollieren, meint der Versorgungstechniker, ob die Anlagen wirklich nicht mehr als nötig in Betrieb seien.

Auch beim Neu- und Umbau von Gebäuden würden die Energiesparmöglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft, berichtet der Insider. Die Sachbearbeiter, die in den Bezirken die Gelder für die „bauliche Unterhaltung“ verwalten - berlinweit fast eine Milliarde Mark - stünden auf verlorenem Posten: viele Stellen seien unbesetzt, seit kürzlich die Anfangsgehälter gesenkt worden seien und Pätzold zusätzlich einen Stellenstopp verhängt habe. Folge: Jeder Sachbearbeiter muß pro Jahr einen bestimmten „Umsatz“ bewältigen, oft an die 850.000 Mark. Der aufwendige Neubau einer einzigen Heizanlage sei für die Sachbearbeiter folglich opportuner, als der billige, aber in der Planung zeitaufwendige Einbau von Thermostaten.

Aber auch die Senatsbauverwaltung bleibt vor Kritik nicht verschont. Sie übe ihre Aufgabe als Kontrollbehörde für öffentliche Neubauten nicht streng genug aus. Bei „Kleinkram“ entscheide sie sich oft für die scheinbar billigere, im Energieverbrauch langfristig jedoch teurere Lösung: Energiesparleuchten beispielsweise streiche die Senatsbehörde aus den Plänen, weil sie hundert Mark mehr kosteten. „Der Senatswechsel“, so der Bezirksingenieur, „hat da nichts geändert“.

hmt