Protest gegen Patente für „Gen-Roulette“

■ Europäisches Patentamt will Patente für genmanipulierte Tiere erteilen / BUND und Tierschützer reichen Beschwerde ein

München (taz) - Das europäische Patentamt in München und das Deutsche Patentamt sitzen in den Startlöchern, um demnächst die ersten Tierpatente in Zusammenhang mit der Gentechnologie zu erteilen. Anmeldungen gibt es für eine „Krebsmaus“, eine „Insulinmaus“ - ihr wurde das Gen für menschliches Insulin eingefügt - das haarlose Schwein sowie das „Wachstumsschwein“ bis hin zu transgenen Mäusen und Rindern, die statt Mutter- und Trinkmilch Eiweißstoffe für die pharmazeutische Industrie geben sollen.

Die Naturschützer wollen nicht wieder denselben „historischen Fehler“ begehen, wie bei der Ablehnung der Kernenergie, zu der sie sich nur schrittweise über Jahre hinweg durchgerungen haben. „Wir wollen ein molekulares Tschnernobyl verhindern“, so der Vorsitzende des Bundes Umwelt- und Naturschutz Deutschlands (BUND), Hubert Weinzierl, auf der gestrigen Pressekonferenz. Den Einspruch begründete Weinzierl mit der „fehlenden sozialen Nützlichkeit“ von lebenden Organismen.

Vor allem das Europäische Patentamt forderte Weinzierl auf, die „Kumpanei mit den Geschäftemachern der Gentechnologie“ zu beenden. Besonders kritisierte er, daß das Europäische Patentamt durch „stillschweigende Änderung“ der Richtlinien und „Wortklaubereien“ nach dem Vorbild der USA die Patentierbarkeit eines Mikroorganismus anerkennt. So wurde für das erste Europa-Patent für die genmanipulierte Alfalfa -Pflanze - bei ihr wurde der Eiweißanteil erhöht beschlossen, daß es sich bei diesem Gebilde nicht um eine Planzensorte handelt.

Wie sehr dem Geschäft mit der Gentechnologie Tür und Tor geöffnet werden soll, zeigt sich nach Ansicht des BUNDs auch in dem Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie über gesetzlichen Schutz biologischer Erfindungen. „Der Gegenstand einer Erfindung soll nicht als unpatentierbar behandelt werden, nur weil er aus lebendem Material besteht“, heißt es dort. Außerdem definiere der Entwurf plötzlich alle Zellen eines höheren Organismus als „Mikroorganismen“. Damit würden die patentrechtlichen Hürden, die bei „Pflanze“ und „Tier“ höher lägen als bei einem „Mikroorganismus“, herabgesetzt.

Durch die fortschreitende Gentechnologie werde nicht nur der einheimischen bäuerlichen Landwirtschaft der Todesstoß versetzt. Auch die Länder der Dritten Welt würden als diejenigen, die Patentgebühren zahlen, von den Industriestaaten noch abhängiger.

Weinzierl forderte die Politiker auf, die Verantwortung für die Gentechnologie nicht an die Industrie abzugeben. Diese „Eigenverantwortung“ der Industrie habe weder bei der Atomtechnik noch bei der Abfallwirtschaft funktioniert. Da es noch immer keine Abschätzung der Folgen gäbe, sei die Gentechnologie abzulehnen. Außerdem dürfe die Diskussion über die gentechnologischen Möglichkeiten nicht hinter geschlossenen Türen geführt werden. Enttäuscht zeigte sich Weinzierl auch darüber, daß sich die Kirche zu den Gefahren der Gentechnologie noch nicht geäußert habe.

lui