„In Birma wird noch viel Blut fließen“

Seit die bewaffneten Minoritäten der birmanischen Grenzregion den verfolgten Studenten aus Zentral-Birma Unterschlupf bieten, ist ihr Ansehen bei der städtischen Oppositionsbewegung gestiegen  ■ I N T E R V I E W

Em Marta, außenpolitischer Vertreter der Demokratischen Allianz Birmas (DAB), besuchte die Grundschule im Karen -Staat und studierte anschließend an der medizinischen Hochschule in Rangun. 1962 beteiligte er sich an den Studentenprotesten gegen das Militärregime Ne Wins. Nach seinem Hochschulabschluß 1970 arbeitete er sieben Jahre für die birmanische Regierung im Gesundheitsdienst. 1978 schloß er sich dem Widerstand der Karen an.

taz: Warum haben Sie sich 1978 dem Karen-Widerstand angeschlossen?

Em Marta: Im Dienst der birmanischen Regierung erlebte ich, wie die ethnischen Minoritäten längst nicht die gleichen Chancen wie Birmanen genießen. Deshalb kämpfen wir für eine regionale Teilautonomie innerhalb eines föderativen demokratischen Birma.

Weshalb konzentrieren sich die Offensiven der Armee gerade auf die Karen-Region?

Die Karen National Union (KNU) gilt mit etwa 4.000 Mann unter Waffen als stärkste Guerillafraktion. Mit einem Sieg über die KNU glaubt die Regierung, auch die anderen Widerstandsarmeen schlagen zu können. Tatsächlich haben seit Anfang des Jahres die Angriffe von seiten des birmanischen Militärs zugenommen, zum einen weil sich die meisten der verfolgten Studenten aus der Hauptstadt nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung zu uns geflüchtet haben, zum anderen weil der Löwenanteil der begehrten Teakhölzer auf unserem Boden wächst und die birmanische Regierung am Raubbau dieser Edelhölzer interessiert ist.

Wieviele Studenten befinden sich gegenwärtig in Ihrer Obhut?

Bei den Karen leben noch immer etwa 2.000, bei den Mon 500 und bei den Kachin 1.000. Hinzu kommen etwa 800 im Grenzgebiet zu Indien und Bangladesch. Als die Studenten zu uns kamen, baten sie um militärisches Training. Und da wir ihnen nichts anderes zu bieten haben, bilden wir sie an den Waffen aus. Im Kampf gegen die Regierungstruppen haben wir sie allerdings noch nicht eingesetzt. Wir würden es vorziehen, ihnen eine Berufsausbildung oder die Fortsetzung ihres Studiums ermöglichen zu können. Dazu brauchen wir allerdings finanzielle Unterstützung.

Stand im vergangenen Sommer, als zentral-birmanische Militärs demonstrierende Zivilisten erschossen, die militärische Kooperation der Opposition mit ihrer Guerilla zur Debatte?

Zu diesem Zeitpunkt wäre das ein großer Fehler gewesen. Während der 26jährigen Diktatur und Isolationspolitik hat das Militärregime den Zentral-Birmanen ein sehr negatives Bild von den Minoritäten vermittelt, die nur darauf aus seien, die Städte zu verwüsten. Hätten wir also eingegriffen, wäre das der beste Vorwand zum Coup gewesen. Durch die Studenten haben die Menschen in der Zentralregion inzwischen einen besseren Eindruck von uns gewonnen.

Woher bezieht die Karen-Guerilla ihre Waffen?

In erster Linie kaufen wir Waffen wie M-16 und AK-47 an der thailändisch-birmanischen Grenze, wo es reichlich Angebote gibt. Einen Teil der Waffen erbeuten wir im Kampf gegen die birmanischen Militärs.

Im letzten November haben Sie einen Dachverband der bewaffneten ethnischen Minoritäten mit Exil-Birmanen, Studenten und religiösen Gruppierungen der zentral -birmanischen Opposition gegründet. Wie steht es jedoch mit der Einigkeit unter den ethnischen Minoritäten selbst und mit der kommunistischen Guerilla-Partei (BCP) Birmas.

Zur Zeit stehen die verschiedenen ethnischen Gruppierungen der DAB im besten Einvernehmen. Insbesondere in den letzten drei Monaten haben wir uns fast alle zwei Wochen zu Verhandlungen getroffen. Was die Kommunistische Partei anbelangt, so hat die Front der ethnischen Minoritäten (NDF) bereits 1985 ein militärisches Abkommen getroffen. Von ideologischer Übereinstimmung mit der an China ausgerichteten Kommunistischen Partei, die mit 10.000 die bei weitem stärkste Guerilla unterhält, kann jedoch keine Rede sein. Die NDF hat allerdings eingesehen, daß sie gegen die BCP nicht viel auszurichten vermag.

Wie sehen Sie Birmas Zukunft?

Das Militärregime wird abtreten müssen, wie es die Forderung der Opposition sowohl innerhalb als auch außerhalb Birmas ist. Das Militär hat dieses Land 27 Jahre zu lange beherrscht. Wir wollen eine Zivilregierung, die Menschenrechte und Frieden respektiert. Da die Ziele der Opposition innerhalb und außerhalb Birmas identisch sind, können wir mit vereinten Kräften dieses Regime stürzen. Aber so wie die Dinge liegen, wird zuvor noch viel Blut fließen.

Interview: Simone Lenz