Aus unseren besten Jahren

■ Steve Harley und seine Band „Cockney Rebel“ im Modernes

Ehrlich, so manche Meile wäre ich gefahren, damals, um ihn live zu erleben, vom Bühnenrand aus abzufeiern wie die Kids heute sonstwen. So um 1975 herum war er für viele von uns Rockverrückten der Größte, eine einsame Lichtgestalt. Sein schnoddrigger, häufig wie manisch überzogener Cockney -Singsang, seine Mischung aus geraden, lakonischen Arrangements und exzentrischen Bombast-Elegien und deren brilliante Umsetzung durch die damals noch namenlosen Musiker seiner Band „Cockney Rebel“ - Steve Harley stimulierte unsere abgetörnten Musiknerven wie kaum ein Kollege zu jener Zeit.

Nun, wo er und wir auf die 40 zusteuern, sind wir und er plötzlich wieder da. Er hat weniger Haare als manche von uns, aber auch weniger Bauch als viele. Natürlich stehen wir im Halbschatten des rückwärtigen Tresens und nicht mehr vor der Bühne - das überlassen wir dem Nachwuchs, doch siehe: der ist eigentlich recht zahlreich vertreten.

Aber warum füllt die Mischung aus alten und neuen Fans gerade den halben Saal? Den Sänger

selbst scheint es zu irritieren: in England, unlängst, zu Beginn seiner Revival-Tour, habe er vor drei, „may be four“ Tausend gespielt. „Na, na“, sagt doch da eine Dame noch hinter mir.

Ich glaube es ihm, wenn auch erst nach ungefähr einer halben Stunde. Zu Beginn nämlich irritiert Steve Harley durch neue, glatte und unambitionierte Popsongs. Der Songschreiber scheint ausgebrannt. Zudem gefällt es dem Mixer, uns auch den ehrwürdigen „Mr. Soft“ krachend um die Ohren fliegen zu lassen: Der Sound ist nur in den Balladen von erträglicher Transparenz.

Doch nach einer selbstironischen, beinahe wehmütigen Zwischenmoderation gelingt ihm und seiner neuen Band lediglich Stuart Elliott an den Drums ist alter Getreuer eine Reminiszenz an die eigene Vergangenheit, die deutlich macht, daß wir so ganz benebelt damals doch nicht gewesen sein können: Songs wie „Psychomodo“, „Sebastian“ oder das spätere, Virginia Woolf gewidmete „Riding the Waves“ bleiben im Modernes vor allem durch den Violinisten Barry Wickens und

den Gitarristen Rick Driscoll auf aktuellen, harten Sound getrimmt, Kleinode einer gegen den Strich gebürsteten Pophistorie. Der Meister selbst, ehemals als enfant terrible verschrien, ist stimmlich erstaunlich gut drauf, gibt sich moderat und ob der Begeisterung sichtlich gerührt, und scheint auch zufrieden mit sich, als nach dem abrupten Ende von „Tumblin‘ Dice“ wir Alten im Saal wissend unseren eigenen Abgesang intonieren: „Oh God, what have they done to the blues?“ Don't ask me.

Rainer Köster