Anthropologie-Tagung: „Angst vor Sprengung“

■ Viel geredet über „Störungen“, wenig vom Rassismus

„Ich hatte Angst, daß das Ganze ausufert, daß Sitzungen gesprengt werden und uns die Dinge völlig aus dem Ruder laufen.“ So begründete gestern der Bremer Populationsforscher Prof. Hubert Walter vor JournalistInnen, warum er überraschend am Montag den für Dienstag bis Samstag geplanten Kongreß der 'Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik‘ abgesagt, die internationalen ReferentInnen und die rund 150 TeilnehmerInnen wieder ausgeladen hatte (vgl. ausführlich taz v. 16. u. 19.9.). Nicht recht zur Sprache kam, warum das Bremer Frauen-Gen-Plenum Gegenveranstaltungen, Theaterstücke und eine Demonstration angekündigt hatte: Daß die Gesellschaft in ihren wissenschaftlichen Traditionen, ihrem Forschungsintresse, ihren personellen Verflechtungen und auch noch in Publikationen zumindest in Teilen in alten Rasseforschungs und Nazitraditionen steht, hatte Prof. Walter öffentlich gegenüber der taz und auch auf der Gegenveranstaltung des Gen-Forums am letzten Freitag „frank und frei“ zugegeben: „Sie rennen bei mir und vielen anderen offene Türen ein“. Walter ge

stern: „Es stimmt, daß wir zu lange geschwiegen haben, aber jetzt sprechen wir.“

Die prekären Dinge sollten aber gestern so offen nicht auf den Tisch: Das seien „weit zurückliegende Dinge“, beschwichtigte der Münchner Referent, und Prof. Werner Schloot, Leiter des Humangenetischen Instituts und Mitglied in der Gesellschaft, wollte zu den rassistischen Veröffentlichungen eines Anthropologen der Gesellschaft lieber nichts sagen: „Ich bin Humangenetiker.“

Ausgerechnet die Gen-Plenum-Frauen, die mit ihrer Informationsarbeit die Debatte öffentlich losgetreten hatten, wurden von Schloot als Verhinderinnen „politischer Kultur“ diffamiert: Demnächst müsse man wohl bei den Gruppen nachfragen, „ob eine Veranstaltung genehm“ sei. In einer Presseerklärung ließ der Uni-Rektor Jürgen Timm sein Bedauern durchblicken, daß es an der Uni „als Ort kritischer Auseinandersetzung“ nun doch nicht zu einer „sachorientierten Auseinandersetzung auch mit den umstrittenen Themen der Anthropologie und Humangenetik“ gekommen sei. S.P