WARTEN AUF DIE DOMINA

■ „Spucke, Schweiß und andere Säfte...“ Filme von Frauenzur Sexualität im Eiszeit-Kino

„Für manche Betrachter, die nur den üblichen Spielfilm kennen, ist 'Mano Destra‘ überhaupt kein richtiger Film, denn es wird keine Geschichte erzählt, sondern es werden nur 'statische‘ Bilder aneinandergereiht. Der grundlegende Unterschied zwischen Foto und Film besteht aber nicht nur in der Bewegung, sondern vor allem in der kontrollierten Zeit. In 'Mano Destra‘ wird die Zeit, die beinahe stillzustehen scheint, körperlich spürbar. 'Ein wesentliches Element des Masochismus ist Warten.‘ (Deleuze). Cleo, als Domina, wartet in einer ungeheuren Ruhe und Gelassenheit; sie wacht über ihr Opfer, das sich ihr ausgeliefert hat. Dabei gewinnt jede Bewegung außerordentliche Bedeutung; eine Wendung des Kopfes, einige Handgriffe, um Seile zu ordnen, ein Blick in die Kamera und die minimalen Regungen der gebundenen Frau, deren Gesicht man niemals sieht.“ (Birgit Hein)

Cleo Uebelmann ist eine Schweizer Fotografin und Filmemacherin, die in ihrer filmischen SM-Studie „Mano Destra“ - realisiert in Zusammenarbeit mit der Gruppe „The Dominas“ - auf die Suche nach Bildern geht, die Ausdruck ihrer sexuellen Lust sind. Mit diesen Bildern versucht sie eine Umsetzung ihrer Vorstellungen, die sie für sich selbst nirgendwo sehen und finden konnte, außer in ihrer eigenen Phantasie. Was eigentlich als eine Selbstverständlichkeit betrachtet werden sollte, das Verlangen, eine sexuelle Identität durch eigene Bilder bestimmen zu können, ist immer noch ein Unterfangen, das für Frauen eine Menge Mut erfordert, wenn ihre Phantasien und Lüste nicht gängigen weiblich-erotischen Vorstellungen entsprechen. Sado -Masochismus bei Frauen ist ein Bereich, der tabuisiert wird, weil er partout als Einbruch des Männlichen in die weibliche Sexualität gilt und damit Angst vor Repressionen und Unterdrückung hervorruft, die natürlich nicht grundlos und unerklärlich im Verborgenen liegt. Dürfen aber Frauen keine SM-Phantasien haben, weil sie dadurch auf verquere Weise von einer „Männer-Sexualität“ bestimmt und korrumpiert sind? „Mano Destra“ entzieht sich gerade deshalb dem Vergleich mit anderen SM-Filmen, weil Cleo Uebelmann durch ihre perfekte und stilisierte Selbstinszenierung eine erotische Atmosphäre vermittelt, die zwar fremd wirken mag, aber nicht abstößt, sondern fasziniert, weil sie Konsequenz nicht mit Härte verwechselt und das Moment sado -masochistischer Lust nicht an einem bizarren Voyeurismus leidet und Schmerzen preisgibt. Obwohl die Rollenverteilung zwischen Domina und Opfer klar ist und in ihrer Inszenierung unantastbar bleibt, schwingt ein irritierendes Gefühl von Zärtlichkeit und Sanftheit mit, das diese sexuelle Beziehung bestimmt. „Auch unter Frauen hat Sexualität mit Schweiß und Spucke und anderen Säften zu tun“ (Birgit Hein) - damit hat die kühle, fast sterile Bildsprache von Cleo Uebelmann zwar nicht viel gemein, aber ihr Film hat trotzdem seine Wichtigkeit im Rahmen eines gleichlautenden Filmprogramms, das von der Kölner Filmemacherin Birgit Hein und Jürgen Brüning zusammengestellt wurde. Die Reihe „Filme von Frauen zur Sexualität“ erhebt nicht den Anspruch, eine für alle Frauen zutreffende, gültige Auffassung und Sichtweise weiblicher Erotik reflektieren zu wollen, sondern unternimmt einen Versuch, die weibliche „Lust zurückzuerobern, sie in ihrer ganzen Vielfalt aufzuzeigen und noch bestehende Tabus zu brechen...“ (Birgit Hein)

Während sich die hiesigen Filmemacherinnen in ihren Arbeiten vorwiegend auf das Erobern dieser Lust mittels ihres eigenen Körpers konzentrieren, fällt im direkten Vergleich zu amerikanischen Filmemacherinnen auf, daß in den USA von Frauen die Bereiche kommerzialisierter Sexualität, weiblicher Pornographie contra männlich dominierter Sex -Industrie, viel direkter und intensiver thematisiert werden. Andrea Torrice geht in ihrer Videodokumentation „Peril Of Pleasure“ dem Phänomen der „feminist-produced pornography“ nach, das augenblicklich die Pornographie -Debatte in den USA bestimmt. Die amerikanische Porno -Industrie ist längst nicht mehr ausschließlich in der Hand von Männern, Frauen wie Candida Royale und Annie Sprinkle, beide mit Vorerfahrungen in diesem Geschäft, sind in diese Domäne eingebrochen und produzieren Pornofilme für den privaten Videomarkt, deren Zielpublikum eindeutig heterosexuelle Frauen sind. Das damit verbundene Versprechen, endlich die heimlichen und immer unterdrückten sexuellen Sehnsüchte und Bedürfnisse der Frauen auf den heimischen Bildschirm zu bringen, ist aber gerade bei amerikanischen Feministinnen und Lesben höchst umstritten, weil die Pornofilme a la Royale und Sprinkle sich als feministisch verkaufen, ohne wirklich neue Akzente in Richtung auf eine eigenständige Form weiblicher Pornographie zu setzen. Catleen Manning dagegen läßt in ihrem Dokumentarfilm „Stripped Bare“ Frauen zu Wort kommen, die im amerikanischen Striptease- und Peepshowbusiness arbeiten und eigene Peepshows oder etablierte Striptease-Bars managen, in denen sich Frauen vor und für Frauen ausziehen. Ihr Selbstbewußtsein läuft dabei der gern gepflegten Ansicht entgegen, daß alle Frauen, die in dieser Branche tätig sind, hilflos und ohnmächtig deren ausbeuterischen Mechanismen ausgeliefert sind.

doa

„Mano Destra“ nur noch heute, 21 Uhr - die Filmreihe „Spucke, Schweiß und andere Säfte“ läuft noch bis Sonntag im Eiszeit-Kino. Siehe auch das Lavie-Tagesprogramm.