Hun Sen will nun doch mit Prinz Sihanouk reden

Kambodschas Premier bemüht sich nach der klaren Absage an die Roten Khmer doch um eine gemeinsame politische Lösung / Hun Sen verlangt Zusage Thailands, seine Waffenlieferungen an die Roten Khmer einzustellen / Bürgerkrieg vorprogrammiert  ■  Von Larry Jagan

London (taz) - Prinz Sihanouk wird niemals an die Macht zurückkehren, so jedenfalls äußerte sich der kambodschanische Premier Hun Sen gegenüber Journalisten nach der gescheiterten Pariser Kambodscha-Konferenz. Dabei hatte Hun Sen bislang noch jede Gelegenheit beim Schopfe gepackt, mit dem Ex-Monarchen eine Zweiparteienregierung zu formieren. Nun schien Hun Sen die Geduld mit Prinz Quecksilber ausgegangen. „Zwei Jahre habe ich darauf gewartet, daß sich Sihanouk von den Khmer Rouge loseist. Anfangs war ich durchaus optimistisch, als der Prinz die Khmer Rouge taktisch für seine politischen Ziele einzusetzen schien. Heute stehen sie im Zentrum seiner Strategie. Er benutzt Pol Pot und seine Truppen als Trittbrett zur Macht, weil er weiß, daß er ohne die Roten Khmer nicht herrschen kann.“ Mit den Khmer Rouge die Macht zu teilen, hieße „das Andenken ihrer Opfer und die Hoffnungen des kambodschanischen Volkes verraten“. Wie am Mittwoch aus Kreisen der kambodschanischen Regierung bekannt wurde, ist Hun Sen nun doch bereit, den Dialog mit dem Führer der Widerstandskoalition Prinz Sihanouk wiederaufzunehmen.

Möglicherweise hat dazu beigetragen, daß Pol Pot an den Entscheidungen der Roten Khmer nicht mehr beteiligt ist. Pol Pot, dessen Diktatur in den Jahren 1975-79 etwa zwei Mio. Kambodschaner zum Opfer fielen, sei nach Angaben des neuen Chefs der Guerillaorganisation, Khieu Samphan, aus allen Führungspositionen ausgeschieden.

Das Scheitern der Pariser Konferenz führt Hun Sen auf die US-chinesischen Auseinandersetzungen zurück. Weder China noch die USA drängen auf eine Überprüfung des vietnamesischen Truppenabzugs. Sie wollen keinen Waffenstillstand, sondern vielmehr die militärische Unterstützung ihrer Schützlinge fortsetzen. Und Hun Sen ist zuversichtlich, daß seine Kräfte den Khmer Rouge standhalten werden. Die kambodschanische Armee könnte die Roten Khmer innerhalb von zwei Jahren besiegen, vorausgesetzt Thailand stellt seine Hilfe für die Khmer ein. Selbst mit einem vorübergehenden Erstarken der Roten Khmer nach dem Abzug der vietnamesischen Truppen könnte die Armee fertig werden, so wurde am Mittwoch in Phnom Penh bekannt.

Während sich Kambodscha auf den unvermeidlichen Bürgerkrieg vorbereitet, äußern westliche Diplomaten hinter vorgehaltener Hand, es komme ihren Regierungen nicht ungelegen, daß die internationale Konferenz sich auf keinen Überwachungsmodus für den auf den 21.-26.September terminierten Truppenabzug einigen konnte. Denn ohne formale Kontrollmechanismen können diese Regierungen ihre Isolationspolitik gegenüber Kambodscha unter dem Vorwand der vietnamesischen Besatzung beibehalten. Hun Sen indes hat die internationale Gemeinschaft gebeten, Beobachter zu entsenden. An die 400 Journalisten und Politiker, einschließlich US-Senator Ed Muskie und Repräsentanten verschiedener europäischer Parlamente werden zugegen sein, um den Truppenabzug persönlich zu überwachen. Aber solange die UNO den Roten Khmer einen Sitz freihält, wird es keine Lösung geben, wenn es nach Hun Sen geht. Eine politische Lösung hätte auch ein Mehrparteiensystem bedingt. Angesichts der militärischen Opposition sei es jedoch unangemessen, an der politischen Front weiterzukämpfen.

Einem prominenten US-amerikanischen Menschenrechtsaktivisten zufolge, der Phnom Penh im letzten Monat besucht hat, wird in einigen Gefängnissen noch immer gefoltert. Hun Sen gibt zu, daß es solche Verstöße nach wie vor gebe. Die Regierung bemühe sich jedoch, dagegen vorzugehen. Nach der vollzogenen politischen Lösung habe er gegen eine internationalen Untersuchungskommission nichts einzuwenden.

Dem zukünftigen Frieden stehen nach wie vor die Roten Khmer im Wege. Sie haben in Paris einmal mehr signalisiert, daß sie sich einer friedlichen Lösung nicht unterwerfen werden. „Wir haben die letzten zehn Jahre nicht umsonst gekämpft“, verkündete dort einer ihre Vertreter. Phnom Penh hat sich unterdessen mit massiven Rekrutierungsmaßnahmen auf das anstehende militärische Kräftemessen vorbereitet. Selbst die UN-Gesandschaft konnte sich, während in Paris getagt wurde, von der Verteidigungskraft der kambodschanischen Armee überzeugen.

Bei ihrem Brüssler Treffen der nicht regierungsgebundenen Hilfsorganisationen hat das NGO-Forum vergangene Woche die Besorgnis geäußert, daß Kambodscha in Paris zum Bürgerkrieg verdammt worden sei. Die Hilfsorganisationen fürchten neben den hohen Verlusten an Menschenleben um die begrenzten ökonomischen Errungenschaften, die in der Region seit der Niederschlagung des Pol-Pot-Regimes möglich geworden waren. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die in den Lagern entlang der thailändisch-kambodschanischen Grenze arbeiten, sorgen sich, daß die erhöhten Waffenlieferungen, die im Vorfeld des Bürgerkriegs an die Widerstandsparteien gingen, zu einem Anstieg der Gewalt auch in den Camps führen könnten. Es sei, so das NGO-Forum, an der Zeit für Europa, bei der kommenden UN-Generalversammlung deutlich zu machen, daß die Roten Khmer nicht akzeptabel sind. Wenn ihnen nicht jegliche Unterstützung vorenthalten werde, würden die Kambodschaner für den Frieden mit ihren Leben zahlen müssen.