Stasi setzte Lummer kräftig unter Druck

■ 'Stern‘ veröffentlicht Stasi-Briefe an Lummer im Wortlaut

Berlin (taz) - Berlins früherer Innensenator Heinrich Lummer ist vom Ostberliner Staatssicherheitsdienst (MfS) massiv unter Druck gesetzt worden. Das Hamburger Magazin 'stern‘ half dem pathologisch schlechten Gedächtnis des Ex -Innensenators jetzt auf die Sprünge. In der heutigen Ausgabe veröffentlichte das Magazin den Inhalt der Briefe, mit denen der Ostberliner Geheimdienst den CDU-Rechtsaußen unter Druck setzte.

Nachdem Lummer 1981 seine Kontakte in den Ostteil der Stadt abgebrochen hatte, versuchten die Herren „Lindner“ und „Wagner“, den CDU-Politiker, der gerade seinen Posten als Innensenator angetreten hatte, schriftlich zu weiteren Treffen in Ost-Berlin zu bewegen. Im Juni '82 schrieben die Stasi-Agenten: „Alle Erfahrungen besagen, daß es nicht schaden kann, Freunde auch im Bereich gegensätzlicher Auffassungen zu haben. Es liegt in unserem, in erster Linie aber in Ihrem Interesse, dem Rechnung zu tragen“. Dem Brief beigelegt waren kompromittierende Fotos.

In einem zweiten Schreiben im Oktober '82 - adressiert an Lummers Tochter Barbara - wurden die DDR-Agenten deutlicher: „Sie selbst haben unsere Beziehung herbeigeführt und lange Zeit akzeptiert. Über Jahre war Ihnen unsere Gastfreundschaft genehm; seit Monaten bemühen Sie sich, unter Berufung auf Ihr neues Amt unsere Geschäftsgrundlage zu unterlaufen.“ Ihm müsse klar sein, daß es gerade in seiner Partei Personen gebe, denen „jeder Anlaß für Ihren Abschuß willkommen wäre“. Für den Anlaß könne der Staatssicherheitsdienst schon sorgen, wurde ihm bedeutet. Derart unter Druck gesetzt, hat Lummer, wie er selbst sagt, den Berliner Verfassungsschutz eingeweiht. Wie aus den Unterlagen des Berliner Amtes hervorgeht, hat er bei der Beichte aber mächtig untertrieben. So verschwieg er damals seine langjährige Beziehung zur 16 Jahre jüngeren DDR -Agentin Susanne Rau. Der DDR-Staatssicherheitsdienst hatte aber gerade an diesem Punkt versucht, den Druck auf Lummer auszuüben.

Zuletzt soll Heinrich Lummer am 7.April 1986 Post vom MfS erhalten haben. Die Ostberliner Warnung an den strammen Rechten - „Die Absicht Ihrer Parteifreunde, Sie mundtot zu machen, ist unschwer zu erkennen“ - kam aber zu spät. Am Tag zuvor hatte Heinrich Lummer seinen Hut als Innensenator nehmen müssen. Es wurde bekannt, daß Lummer Anfang der 70er Jahre 2.000 Mark an eine rechtsradikale Gruppe gespendet hatte.

Wolfgang Gast