Väter, Töchter und Computer-Karrieren

■ Erste feministische Fachtagung der „Gesellschaft für Informatik“ begann mutig mit Persönlich-Politischem

Die beiden Frauen auf dem Podium gehören einer seltenen Spezies an. Sie sind Fachfrauen für Informatik. Die eine, Gisela Jasper, arbeitet als selbständige Software -Entwicklerin und hat ausschließlich mit männlicher Kundschaft zu verhandeln. Die andere ist eine der bundesweit raren Professorinnnen für Theoretische Informatik und über hundert männlichen Kollegen an der Technischen Hochschule ausgesetzt. Beide Fachfrauen gelang es gestern, eine sehr persönliche Antwort auf die Frage zu finden: Wie

kommt eine Frau dazu, Mathematikerin oder Informatikerin zu werden? Und was unterscheidet sie dennoch von einem Informatiker oder einem Mathematiker? Warum ist sie trotz Erfolgs und Können von Selbstzweifeln durchsetzt, von ihrer Inkompetenz überzeugt?

350 InformatikerInnen und Nicht-InformatikerInnen hörten ihnen gebannt zu - am Eröffnungstag von „Frauenwelt Computerräume“. Die viertägige bundesweite Tagung in der Universität ist die erste der Fach

gruppe „Frauenarbeit und Informatik“ im Berufsverband der InformatikerInnen. Großen Beifall und -zigfaches Wiedererkennen im Saal löste das mutige Unterfangen der beiden Informatikfachfrauen auf dem Podium aus. Ein ganz besonderes Highlight gleich schon am Eröffnungstag.

Schon in der Eröffnungsrede hatte die Mathematikprofessorin und Schriftstellerin Helga Königsdorf ihre Gedanken über die Symbiose Mensch-Computer gespickt mit persönlichen Bemerkungen. Sie war es auch, die ihren hier das logo

Frauenkopf

Absprung in die Schriftstellerei so begründete: Spitzenpositionen in Politik und Technik führen zu Deformationen der Persönlichkeit. Mathematiker lassen wichtige Teile ihrer Persönlichkeit ungenutzt. Von ihren Mathematik-Professoren-Kollegen sprach sie wenig respektvoll als von „frühzeitig vergreisten Kindern.“

Das frappierende dann an den Lebensläufen der beiden, am Nachmittag sprechenden Informatik-Fachfrauen waren die vielen, vielen Parallelen: Das Herkommen akademisch; der Vater Physiker oder naturwissenschaftlich orientierter Mediziner; die Mutter Hausfrau und unzufrieden; die Tochter das erste Kind und „vater-identifiziert“ („war mit dem Vater die Repariererin und die naturwissenschaftlich Interessierte“), die Tochter vom Vater sehr gefördert und als Junge erzogen (Gisela Jasper: „Ich hatte fast nur mit Jungen Umgang“). Britta Schinzel besuchte, wie so viele nicht-abgeschreckte Naturwissenschaftlerinnen, eine Mädchenschule. Die sich anschließende „Karriere“ an Hochschule

und Beruf beschrieben beide als ungeplant, da sie sich beide diese nicht zugetraut hatten („Männer planen ihre Karriere zielstrebig, Frauen haben eine gewisse Passivität“)

Britta Schinzel zitierte zudem aus wissenschaftlichen Untersuchungenn über die seltene Spezies der Naturwissenschaftlerin. Untersuchungen, die die übereinstimmenden Momente aus den beiden Biographien als typisch für die Spezies Matehmatikerin/Informatikerin auswiesen - wie etwa die Stichworte „Vater war Naturwissenschaftler“ und die betreffende Fachfrau das „erstgeborenes Kind“. Britta Schinzel bekannte, daß sie sich alles andere als glücklich gefühlt hatte, als sie zum ersten Mal diese frappierenden Ähnlichkeiten mit ihren Kolleginnen entdeckt hatte. Sie sei sich regelrecht „ent -individualisiert“ vorgekommen, als „Normfrau“. Der Vortrag hatte auch die Klippen umschifft, die sie selbst gefürchtet hatten: Ins Weinerliche, Larmoyante zu verfallen oder aber in eine falsche Frauen-Umarmung.

Heute wird einer von fünf Tagungsschwerpunkten wieder die Spezies der Fachfrau sein. In den vier anderen Themenschwerpunkten geht es um das weibliche Weiterentwickeln der Computertechnologie, um Computer und Mädchenbildung, um Computerkunst und -kultur sowie um die „Ausbreitung der Computertechnologie in der Erwerbsarbeit.“ Wo Frauen nicht Technikentwicklerinnen, sondern von Arbeitslosigkeit bedrohte Computernutzerinnen sind. Frau darf gespannt sein.

B.D.