Diese Wohnung ist beschlagnahmt

■ In Steglitz wurde am Dienstag die erste beschlagnahmte Wohnung vermietet / Charlottenburg, Wedding und Kreuzberg halten Beschlagnahme für sinnvoll

Die erste der acht beschlagnahmten Wohnungen in Steglitz ist bewohnt: Am Dienstag nachmittag zog eine dreiköpfige Umsiedler-Familie vom Obdachlosenheim in die Zwei-Zimmer -Wohnung in der Herderstraße11 um. In kürzester Zeit sollen auch die sieben weiteren Wohnungen fertigestellt werden. Instandsetzungskosten: 25.000 Mark. Die Beschlagnahme von leerstehenden Wohnungen ist aus finanziellen und rechtlichen Gründen nicht in allen Bezirken unumstritten. So bezweifeln etliche Bezirksämter, daß mit dieser Art der Wohnraumbeschaffung das Massenproblem gelöst wird. In Wedding, Charlottenburg und Kreuzberg befürworten die Sozialstadträte jedoch die Pioniertat ihrer Steglitzer Kollegin Gabriele Witt. Sie hatte vor vier Wochen mit der von ihr erstmals verfügten Beschlagnahme leerstehender Wohnungen Wirbel erzeugt. „Eine Arbeitsgemeinschaft hat im Wedding rund 100 leerstehende Wohnungen überprüft“, so der Weddinger Sozialstadtrat Hans Nisble. Fünf Projekte kämen für eine Beschlagnahme in Frage. „Im Gegensatz zu Steglitz wollen wir allerdings nur Wohnungen beschlagnahmen, die sofort nutzbar sind.“ Eine Instandsetzung mit öffentlichen Mitteln komme nicht in Frage. Nisble rechnet damit, daß in der kommenden Woche die ersten Wohnungen beschlagnahmt werden können. In Charlottenburg werden derzeit über 100 Wohnungen auf eine Beschlagnahme hin überprüft. „Viele Wohnungen werden gerade saniert. Es gibt jedoch einige, die unbegründet leerstehen. Die werden wir dann beschlagnahmen“, so SPD-Sozialstadtrat Udo Maier.

Als ganz normale Ordnungsmaßnahme bezeichnete die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer die Beschlagnahme leerstehender Wohnungen. Schon früher habe ihr Bezirksamt solche Schritte unternommen. Allerdings habe es sich dabei um bewohnte Räume gehandelt, wo den Mietern unbegründet gekündigt worden war. Derzeit werde geprüft, welche leerstehenden Wohnungen dafür in Frage kommen. Junge -Reyer geht es dabei vor allem auch um Wohnraum für Obdachlose: „Wir haben im vergangenen Jahr bei 350 Wohnungen die Mieten übernommen, damit die Bewohner nicht vor die Tür gesetzt werden.“ In ihren Augen ist das sinnvoller und billiger, als hinterher neuen Wohnraum für die Obdachlosen zu suchen.

Burkhard Willimsky, CDU-Sozialstadtrat in Reinickendorf, ist ebenfalls für einen stärkere Unterstützung der Obdachlosen. Zwar hält er eine Beschlagnahme von Wohnungen nicht für erforderlich - angeblich gibt es in seinem Bezirk keinen spekulativen Leerstand - jedoch müßten bei solchen Initiativen vor allem Familien und Obdachlose berücksichtigt werden. „Für Übersiedler gibts plötzlich überall Quartiere, aber für die Obdachlosen ist überhaupt nichts mehr frei.“ Dies sei im Hinblick auf den Winter sehr bedenklich. Wie auch seine Amtskollegen in Tempelhof, Neukölln und Spandau sieht er in einer Wohnungsbeschlagnahme eher eine Signalwirkung. Sinnvoller sei die jetzt verfügte Aufstockung der Zwangsgelder von 2.000 auf 100.000Mark für Grundeigentümer, die Wohnungen leerstehen lassen. „So werden die Verantwortlichen jetzt wenigstens wirkungsvoll zur Kasse gebeten“, erklärte Willimsky. Bei der früheren Minimalgeldstrafe hätten sich die Vermieter nur ins Fäustchen gelacht und weiter spekuliert.

cb